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Susanne Frings: Die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld


FORSCHUNGSBERICHTE

des

PSYCHOLOGISCHEN INSTITUTS

der

ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG i.Br.

 

Nr. 146

Susanne Frings

 

 

 

Abteilung für Allgemeine Psychologie

Psychologisches Institut der Universität

Niemensstr. 10

D-79085 Freiburg i.Br.

August 2000


Die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld

Ein Vergleich von Laien und Experten

 

 

 

 

Diplomarbeit

Juli 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

vorgelegt von

Susanne Frings

Schwarzwaldstr. 24

79102 Freiburg

wissenschaftlich

betreut durch

Dr. Josef Nerb

Prof. Dr. Hans Spada

 

Zusammenfassung

In den Vereinigten Staaten werden Schadensersatz und Schmerzensgeld von juristischen Laien zugemessen. Untersuchungen US-amerikanischer Jury-Entscheidungen belegen, daß Laien dazu tendieren, juristisch nicht relevante Faktoren in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen und juristisch relevante Faktoren anders zu berücksichtigen, als es gesetzlich vorgeschrieben ist. Nach deutschem Recht ist es Aufgabe eines Berufsrichters, die Höhe der Entschädigungssummen zu bestimmen. Die von professioneller Seite gefällten Urteile werden jedoch von der Gesellschaft bisweilen als ungerecht empfunden. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, daß juristische Laien bei der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld andere Kriterien ansetzen würden als Rechtsexperten, wäre ihnen die Entscheidung über die Höhe der Entschädigungssummen überlassen.

In der vorliegenden Arbeit wurde ein theoretisches Modell der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien entwickelt, das sich auf die Regelungen des deutschen Rechtssystems bezieht. Ausgehend von Theorien der Verantwortungszuschreibung wurde angenommen, daß vorsätzliches Handeln und moralisch schlecht vertretbare Beweggründe des Schädigers zu Ärger führen und in der Tendenz resultieren, ihn zur Zahlung erhöhter Schadensersatz- und Schmerzensgeldbeträge zu verurteilen. Fahrlässiges Verhalten und moralisch gut vertretbare Beweggründe sollten Mitleid mit dem Verursacher hervorrufen und zu niedrigen Entschädigungssummen führen. Die Anhebung des Schmerzensgeldes bei Vorsatz ist rechtlich vorgesehen; sie sollte auf eine vermehrte Gewichtung der sogenannten Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes zurückzuführen sein, nicht auf eine Erhöhung desjenigen Schmerzensgeldanteils, der für den Ausgleich der Schmerzen und Verletzungen des Geschädigten bestimmt ist. Die Beweggründe des Schädigers sollten sich rechtlich nicht auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirken. In zwei experimentellen Studien wurden diese Annahmen überprüft. Die Daten von juristischen Laien wurden denen von Jurastudenten gegenübergestellt. In Experiment I wurde die Schuldform des Schädigers (Vorsatz versus Fahrlässigkeit) manipuliert. Experiment II untersuchte den Einfluß der moralischen Vertretbarkeit der Beweggründe (gute versus schlechte Beweggründe) des Schädigers auf die Höhe der zugemessenen Entschädigungssummen. In beiden Experimenten wurden die Faktoren in je zwei unterschiedlichen juristischen Fallgeschichten realisiert.

Während der Zusammenhang von Ärger und einer Erhöhung des Schmerzensgeldes bei juristischen Laien empirisch nachgewiesen werden konnte, wurde die Verbindung von Mitleid und einer Absenkung des Schmerzensgeldes nicht bestätigt. Die beiden verschiedenen Fallgeschichten erbrachten bei den juristischen Laien unterschiedliche Ergebnisse: Bei der Beurteilung der einen Fallgeschichte entschieden sie entsprechend den rechtlichen Vorschriften, in der anderen verhielten sie sich sowohl bei der Manipulation der Schuldform als auch bei der der Beweggründe entgegen den rechtlichen Regelungen. Die Befunde der Rechtsexperten entsprachen im Ergebnis den rechtlichen Vorschriften. Es zeigte sich jedoch bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen eine rechtlich nicht vorgesehene Erhöhung des Anteils der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung *

1. Einleitung *

2. Schadensersatz und Schmerzensgeld *

2.1 Rechtliche Bestimmungen der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Deutschland *

2.1.1 Schadensersatz *

2.1.2 Schmerzensgeld *

2.1.3 Schuldformen *

2.2 Die gerichtliche Praxis der Zumessung in Deutschland *

2.3 Folgen der Zumessungspraxis in Deutschland *

2.4 Rechtliche Bestimmungen der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in den USA *

2.4.1 Damages *

2.4.2 Die gerichtliche Praxis der Zumessung in den USA *

2.4.3 Folgen der Zumessungspraxis in den USA *

2.5 Fazit *

3. Überblick über die empirischen Befunde zur Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld *

3.1 Forschungsansätze zur Untersuchung von Jury-Entscheidungen *

3.1.1 Archivanalysen *

3.1.2 Interviews *

3.2 Experimentelle Ansätze mit dem Mock-Jury-Design *

3.2.1 Schadenshöhe und Verantwortung *

3.2.2 Der "Double-Discount"-Effekt *

3.2.3 Der "Deep-Pocket"-Effekt *

3.2.4 Entschädigung und Bestrafung *

3.3 Fazit *

4. Kognitive und emotionale Bewertung negativer Ereignisse *

4.1 Kognitive Bewertung *

4.2 Emotionale Reaktionen *

4.3 Handlungsintentionen *

4.4 Die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien *

 

5. Methode *

5.1 Stichproben *

5.2 Versuchspläne *

5.2.1 Untersuchte Einflußfaktoren *

5.2.2 Designs der Experimente *

5.3 Materialien *

5.3.1 Formale Gestaltung *

5.3.2 Inhaltliche Gestaltung *

5.4 Empirisch erhobene Variablen *

5.5 Ablauf der Untersuchungen *

6. Experimentelle Studien *

6.1. Experiment I (Manipulation der Schuldform des Schädigers) *

6.1.1 Experiment Ia: Untersuchung von Rechtsexperten *

6.1.2 Experiment Ib: Untersuchung von juristischen Laien *

6.1.3 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Experiment I *

6.2 Experiment II (Manipulation der Beweggründe des Schädigers) *

6.2.1 Experiment IIa: Untersuchung von Rechtsexperten *

6.2.2 Experiment IIb: Untersuchung von juristischen Laien *

6.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Experiment II *

7. Diskussion und Ausblick *

7.1 Juristische Laien *

7.1.1 Schadensersatz *

7.1.2 Schmerzensgeld *

7.2 Rechtsexperten *

7.3 Schlußbetrachtung *

Literaturverzeichnis *

Anhang: Instruktion *

 

1. Einleitung

Wer einem anderen Menschen einen körperlichen, seelischen oder materiellen Schaden zufügt, sei es versehentlich oder absichtlich, der muß diesen Schaden ausgleichen. Dieser Grundsatz ist Basis einer Rechtsordnung, die den Leib, die Gesundheit und das Eigentum eines jeden Bürgers schützt. Während finanzielle Verluste durch eine entsprechende Summe direkt ersetzt werden können, ist es eine schwierige Ermessensfrage, mit wieviel Geld ein Mensch für eine Verletzung, eine Demütigung oder eine bleibende Entstellung angemessen entschädigt werden kann. Im deutschen Rechtssystem befindet ein Berufsrichter, wieviel Schadensersatz für eine finanzielle Schädigung zu bezahlen ist und wieviel Schmerzensgeld eine Verletzung, Demütigung oder Entstellung kompensieren soll. Juristische Laien sind an dieser Entscheidung nicht beteiligt.

Jeder Mensch kann indes in die Situation geraten, Schadensersatz und Schmerzensgeld bezahlen oder verlangen zu müssen. Es ist daher von großer Wichtigkeit, daß die im Namen des Volkes ergehenden Urteile von der Öffentlichkeit als gerecht empfunden werden, denn letztendlich vertritt die Rechtsprechung die Interessen der Gesellschaft. Natürlich kann nicht jeder Bürger jede Entscheidung im Detail nachvollziehen und als angemessen betrachten. Bisweilen sind es jedoch grundlegende Prinzipien der Entschädigungszumessung, die in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stoßen.

So wurde einem Ehepaar, dessen drei Kinder bei einem Autounfall getötet wurden, ein Schmerzensgeld in Höhe von 110.000 Mark zugesprochen. Für deutsche Verhältnisse ist dieser Betrag sehr hoch; die Eltern hingegen sahen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes verletzt, da die Zeitschrift Bunte für ein fingiertes Interview ein Schmerzensgeld von 180.000 Mark an Caroline von Monaco zahlen mußte. Sie reichten beim höchsten Gericht der Bundesrepublik Verfassungsbeschwerde ein � ohne Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht begründete seine Ablehnung der Beschwerde mit den unterschiedlichen Zielsetzungen der Entschädigung in beiden Fällen: Das Schmerzensgeld, das die Zeitschrift für ihre Fälschung bezahlen mußte, diene vorrangig präventiven Zwecken, solle also die Presse von einer rücksichtslosen Vermarktung der Persönlichkeit abschrecken. Das Schmerzensgeld, das das Ehepaar für die psychischen Folgen des Unfalltodes ihrer Kinder erhalten habe, sei demgegenüber nicht von präventiven Überlegungen geprägt; ein potentieller Unfallverursacher werde durch eine Erhöhung dieses Betrages nicht veranlaßt, sorgsamer zu fahren.

"Promi-Schmerz bringt mehr" titelte daraufhin am 26. Mai 2000 die Badische Zeitung einen Artikel ihres Korrespondenten Christian Rath. "Verfassungsrichter stört es nicht, daß die Schönen und Reichen beim Schadenersatz abkassieren. Ein erfundenes Prominenteninterview kann auch weiterhin zu höheren Schadenersatzansprüchen führen als harte Schicksalsschläge bei Normalbürgern" heißt es weiter. Anschließend werden dem Leser die Gründe der Verfassungsrichter erläutert. Das Medienecho auf die abgewiesene Verfassungsbeschwerde verdeutlicht, daß bestimmte Schmerzensgeldurteile von der Öffentlichkeit als ungerecht empfunden werden. Es zeigt, daß die verschiedenen Funktionen des Schmerzensgeldes entweder nicht bekannt sind oder nicht akzeptiert werden. Hier stellt sich die Frage, ob juristische Laien andere Kriterien ansetzen würden als Berufsrichter, wäre ihnen die Entscheidung über die Höhe der Entschädigungssummen anheimgestellt.

An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an. Sie beginnt mit einer Darstellung der rechtlichen Regelungen zur Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Kapitel 2. Da im US-amerikanischen Rechtssystem juristische Laien die Höhe von Schadensersatz und Schmerzensgeld festlegen, wird hier auch auf die dortigen Bestimmungen eingegangen. Es folgt in Kapitel 3 die Darstellung der empirischen Befunde zur Zumessung der Entschädigungssummen in den USA. Anschließend wird in Kapitel 4 ein theoretischer Rahmen entwickelt, in den die bisherigen Forschungsergebnisse eingeordnet werden. Aus diesen Modellvorstellungen werden auf der Basis des deutschen Rechts Annahmen über die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien abgeleitet. Gleichzeitig werden Hypothesen über die Entscheidungen von Rechtsexperten aufgestellt. In Kapitel 5 wird die Methodik der vorliegenden Untersuchungen beschrieben, die diese Annahmen einer empirischen Überprüfung zugänglich machen. Die Ergebnisse der Experimente werden in Kapitel 6 vorgestellt. Die Arbeit schließt mit einer Diskussion der Befunde in Kapitel 7.

2. Schadensersatz und Schmerzensgeld

In diesem Kapitel werden die juristischen Begriffe und Zusammenhänge erläutert, auf denen die vorliegende Arbeit basiert. Der erste Abschnitt befaßt sich mit den rechtlichen Regelungen der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld im deutschen Rechtssystem (Abschnitt 2.1), gefolgt von einer Beschreibung der gerichtlichen Praxis der Bemessung dieser Gelder (Abschnitt 2.2). Anschließend wird die Diskussion um die sogenannte Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes geschildert (Abschnitt 2.3). Die empirische Literatur zu der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld stammt aus den USA und basiert folglich auf dem amerikanischen Recht, daher werden zum Abschluß dieses Kapitels die dortigen Regelungen erläutert (Abschnitt 2.4).

2.1 Rechtliche Bestimmungen der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Deutschland

Im deutschen Recht gilt der Grundsatz, der Inhaber eines Rechtsguts habe einen daran entstehenden Schaden selbst zu tragen. Von dieser Regel gibt es Ausnahmen, in denen eine andere Person für den entstandenen Schaden aufzukommen hat. Dazu muß dieser anderen Person der Schaden zugerechnet werden, das heißt, er muß ihr anzulasten sein. Die Zurechnung kann auf mehreren Umständen beruhen: Sie kann sich aus der Gefährdungshaftung, der Billigkeits-, der objektiven Einstands- oder der Verschuldenshaftung ableiten (für eine ausführliche Darstellung vgl. z.B. Deutsch, 1993). Die vorliegende Arbeit befaßt sich nur mit der Zurechnung aufgrund der Verschuldenshaftung, da sie am stärksten auf das Verhalten des Schädigers abstellt und somit die meiste psychologische Relevanz besitzt. Die anderen Zurechnungsgründe werden daher im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter behandelt. Wegen Verschuldens haftet, wer einen Schaden fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; auf Details dieser Schuldformen wird in Abschnitt 2.1.3 eingegangen.

 

 

 

 

Bei dem entstandenen Schaden kann es sich sowohl um einen finanziellen Verlust (z.B. durch Sachbeschädigung) als auch um eine körperliche Verletzung handeln. Wird dieser Schaden einer anderen Person zugerechnet, so muß sie den Geschädigten für beide Formen der Einbuße entschädigen. Im deutschen Rechtssystem ist die Entschädigung zweigeteilt in den materiellen Schadensersatz und den Ersatz des immateriellen Schadens, das Schmerzensgeld.

2.1.1 Schadensersatz

Der Schadensersatz bezieht sich auf den Ausgleich aller finanziellen Verluste. Der Anspruch leitet sich ab aus �823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB, 1996, Absatz 1): "Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet."

Art und Umfang des Schadensersatzes werden in �249 BGB spezifiziert. Hier heißt es, der Schädiger habe den Zustand herzustellen, der bestünde, hätte er den Schaden nicht verursacht. Besteht ein Anspruch auf Schadensersatz, so muß demnach der entstandene Schaden vollständig ersetzt werden. Eine Ausnahme von dieser Regel bildet ein Mitverschulden des Geschädigten, das bei der Zumessung des Schadensersatzes mindernd einberechnet wird (z.B. Lange, 1990).

2.1.2 Schmerzensgeld

Für bestimmte Nichtvermögensschäden wird in � 847 BGB eine "billige Entschädigung in Geld" gewährt. Satz 1 spricht Schmerzensgeld zu im Falle einer Körper- oder Gesundheitsverletzung sowie bei Freiheitsentziehung. Nach einer Grundsatzentscheidung des Großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofs besitzt das Schmerzensgeld zwei Funktionen: Eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion.

 

Ausgleichsfunktion

Das Schmerzensgeld in der Ausgleichsfunktion hat Wiederherstellungscharakter und schließt damit an die Kompensation bei materiellen Schäden an (z.B. Deutsch, 1993). Es soll den Verletzten für erlittene Schmerzen, Entstellungen oder Behinderungen entschädigen; auch die Sorge über den Heilungsverlauf und Einschränkungen der Lebensfreude sind Faktoren, die hier berücksichtigt werden.

Genugtuungsfunktion

Das Schmerzensgeld in der Genugtuungsfunktion soll das durch die Verletzung gekränkte Rechtsempfinden des Geschädigten wiederherstellen (vgl. Nixdorf, 1996); gleichzeitig soll es "dem Schädiger ein fühlbares Vermögensopfer auferlegen" (Kern, 1991, S. 249). Auch spezial- und generalpräventive Gedanken finden in dieser Funktion des Schmerzensgeldes Ausdruck: So sollen sowohl der Schädiger selbst als auch andere Personen von verletzendem Handeln abgeschreckt werden. Die Genugtuungsfunktion kommt bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten des Schädigers sowie bei schweren Verletzungen des Persönlichkeitsrechts, insbesondere durch die Massenmedien, in Betracht (z.B. Schwab, 1995). In diesem Anteil des Schmerzensgeldes können in Einzelfällen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers sowie eine verhängte Kriminalstrafe berücksichtigt werden.

Der für die Genugtuung bestimmte Anteil des Schmerzensgeldes wird nicht als ein separater Betrag ausgewiesen. Vielmehr handelt es sich nach Ansicht der herrschenden Rechtsprechung bei Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion um zwei einander ergänzende Wirkungsweisen desselben Anspruchs (vgl. auch Lange, 1990): "Die Rechtsprechung hat sich regelmäßig geweigert, die Funktionen aufzuschlüsseln und insbesondere einzelne Summen für Ausgleichs- und Genugtuungsfunktionen festzusetzen" (Deutsch, 1993, S. 232).

2.1.3 Schuldformen

Man unterscheidet zwei Formen des Verschuldens: Fahrlässigkeit und Vorsatz.

Fahrlässigkeit

Der Begriff der Fahrlässigkeit ist in �276 BGB definiert als das "Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt". Es gilt hier also ein an allgemeinen Erfordernissen, nicht an persönlichen Fähigkeiten orientierter Maßstab; "mit der Bezugnahme auf die �erforderliche� Sorgfalt wird einmal jedem �üblichen� Schlendrian eine Absage erteilt" (Musielak, 1997, S.177). Dieser objektive Maßstab wird spezifiziert nach Verkehrskreisen wie Alter und Beruf; von einem Handwerker beispielsweise wird erwartet, daß er die für einen "ordentlichen" Handwerker erforderliche Sorgfalt walten läßt.

Die Steigerung dieser einfachen Fahrlässigkeit ist die grobe Fahrlässigkeit, die vorliegt, wenn die Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde und der Schädiger nicht beachtet hat, was unter den gegebenen Umständen jeder hätte bedenken müssen. Von bewußter Fahrlässigkeit spricht man, wenn der Schädiger mit der Möglichkeit rechnet, daß seine Handlung einen Schaden hervorrufen könne, in sorgfaltswidriger Weise aber darauf vertraut, daß er sich vermeiden ließe. Die Formel der bewußten Fahrlässigkeit lautet "es wird schon gutgehen" (Musielak, 1997, S. 178).

Die einfache Fahrlässigkeit ist bereits hinreichend, um die Haftung für Schadensersatz und Schmerzensgeld auszulösen; die grobe Fahrlässigkeit genügt, um die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes zum Tragen kommen zu lassen.

Vorsatz

Der Begriff des Vorsatzes wird im Gesetz nicht definiert; laut herrschender Rechtsprechung allerdings gehört zu einer vorsätzlichen Handlung das Wissen um den möglichen Eintritt der Schädigung und das Wollen dieser Handlungsfolge. Innerhalb des Vorsatzes wird unterschieden zwischen dem bedingten und dem direkten Vorsatz sowie der Absicht.

Wer mit Absicht handelt, wünscht nicht nur die schädigende Handlung zu begehen, sondern auch den entstehenden Schaden zu verursachen. Der direkte Vorsatz beinhaltet das Erkennen des Schadenseintritts als notwendige Folge der Handlung, zielt aber nicht wie die Absicht auf diesen Schaden ab. Bei bedingtem Vorsatz stellt sich der Handelnde den Schaden als mögliche Konsequenz seines Tuns vor und nimmt seinen Eintritt billigend in Kauf (vgl. Köbler, 1995). Die Formel des bedingten Vorsatzes lautet "na wenn schon" (Musielak, 1997).

Bereits bedingt vorsätzliches Handeln des Schädigers sollte sich in einer Erhöhung des Schmerzensgeldes durch die Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion niederschlagen: "Wer dem Satz alterum non laedere bewußt zuwiderhandelt, sollte ... das höchste Schmerzensgeld schulden" (Deutsch, 1993, S. 61, Hervorhebungen im Original).

 

2.2 Die gerichtliche Praxis der Zumessung in Deutschland

Die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld gehört in den Bereich der Zivilgerichtsbarkeit. Da sich die Laienbeteiligung in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen auf die Strafgerichtsbarkeit beschränkt, sind Laien, im Unterschied zu den USA, nicht an der Bemessung dieser Gelder beteiligt. Die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld fällt im deutschen Rechtssystem in den Aufgabenbereich eines Berufsrichters.

Richterliches Ermessen

Ein finanzieller Schaden ist direkt monetär erfaßbar; Verdienstausfälle oder Arztkosten beispielsweise können berechnet und der Wert eines zerstörten käuflichen Gegenstandes durch seine Wiederbeschaffungskosten ermittelt werden. Die Höhe des zu ersetzenden Betrages ist bei materiellen Schäden demnach keine Ermessensfrage.

Wieviel Geld aber eine "billige Entschädigung" für erlittene Schmerzen, verminderte Lebensfreude oder das Leid durch dauerhafte Entstellungen darstellt, entzieht sich der Berechnung, "denn einen immateriellen Schaden kann man nicht sehen, feststellen oder berechnen, sondern nur nachempfinden" (Kern, 1991, S. 248). Das Gesetz legt hier keine Maßstäbe fest. Die Beurteilung, mit wieviel Geld ein solcher immaterieller Schaden aufzuwiegen sei, fällt allein der Person des Richters zu. Eine Entscheidungshilfe bieten ihm die sogenannten Schmerzensgeldtabellen.

Schmerzensgeldtabellen

Schmerzensgeldtabellen sind von privater Seite herausgegebene Sammlungen von Gerichtsentscheiden (z.B. Hacks, Ring & Böhm, 1995). Sie enthalten Kurzbeschreibungen der erlittenen Verletzungen, der Dauerschäden und gegebenenfalls der besonderen Umstände des jeweiligen Falles sowie die gewährten Schmerzensgeldbeträge. In einer Umfrage unter etwa 15% aller bayerischen Zivilrichter beurteilten 95,5% aller Befragten diese Tabellen als "verwertbare Orientierungshilfe" (Musielak, 1982). Grundsätzlich liegt es im Ermessen des zuständigen Richters, wieviel Schmerzensgeld er dem Geschädigten gewährt. Weicht seine Entscheidung aber in beträchtlichem Maße von den üblicherweise bewilligten Beträgen ab, so muß er diese Diskrepanz in seinem Urteil begründen. Ein Beispiel für die Darstellung von Gerichtsentscheiden in Schmerzensgeldtabellen bietet Tabelle 2.1.

 

Tabelle 2.1: Beispiel für die Darstellung von Gerichtsentscheiden in Schmerzensgeldtabellen

Lfd. Nr.

Betrag DM

Verletzung

Dauer der Behandlung und Arbeits-unfähigkeit

Person des Ver-letzten

Dauer-scha-den

Besondere Umstände, die für die Entscheidungen maßgebend waren

Gericht, Datum der Entscheidung, Az.,Veröffentlichung bzw. Einsender

446

3000

Schädelhirn-trauma mit epiduralem Hämatom und nach der Operation auftretender peripherer Facialisparese

25 Tage Krankenhaus

Mann

Vorsätzliche Körperverletzung; Genugtuungsfunktion ist durch Bestrafung des Schädigers weitgehend erfüllt

OLG Düsseldorf

21.6.1991

ZfS 1991, 299

490

3500

HWS-Zerrung nach HWS-Schleuder-trauma; Thorax-Prellung; Prellung der linken Schulter sowie des rech-ten Handge-lenks; kurzzeitig eingeschränkte Lungenfunktion

4 Tage statio-när, davon 2 Tage Intensiv-station; ambu-lante und wiederholt kranken-gymnastische Weiterbe-handlung. MdEa: 2 � Monate 100%

Mann

Grobe Fahrlässigkeit des erheblich alkoho-lisierten Beklagten. Strafrechtliche Folgen ohne Einfluß auf Schmerzensgeldhöhe. Nach 2 � Monaten deutliche Besserung der Beschwerden.

OLG Celle

3.11.1994

5 U 288/92

RAe Boetzinger & Nause, Lüneburg

Anmerkung. Zusammengestellter Auszug aus Hacks et al., 1995, S. 79, 85; Hervorhebungen v. Verf.

a Minderung der Erwerbsfähigkeit

 

2.3 Folgen der Zumessungspraxis in Deutschland

Durch die Orientierung der Richter an Schmerzensgeldtabellen sind die in Deutschland gewährten Schmerzensgelder in ihrer Höhe relativ stabil. Aus der Weigerung der Rechtsprechung, das Schmerzensgeld in Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion aufzuschlüsseln, ergibt sich jedoch eine Intransparenz in der Bemessung der Gelder. Insbesondere die Genugtuungsfunktion ist in der Literatur heftig umstritten (vgl. etwa Lorenz, 1981).

Die Genugtuungsfunktion fließt bei vermehrt schuldhaftem Verhalten des Schädigers in die Schmerzensgeldberechnung ein und weist Sanktionscharakter auf (Deutsch, 1993). Kritiker bemängeln daher ihre Nähe zur Privatstrafe und bezeichnen sie als "pönales Element im Schadensrecht" (Kern, 1991, S. 247). Diesem Einwand wirkt die Weigerung der Funktionsteilung entgegen: Durch die Ausweisung eines Komplettbetrages, der nicht nach Ausgleichs- und Genugtuungsanteilen aufgeschlüsselt ist, bleibt das Schmerzensgeld in vollem Umfang versicherbar. Ein erhöhtes Schmerzensgeld gehe somit nicht zu Lasten des Schädigers, sofern er einen entsprechenden Versicherungsschutz genieße, und könne daher auch keine Strafe für begangenes Unrecht darstellen (Stein, 1997).

Gleichwohl wird der Sühnegedanke von verschiedenen Gerichten unterschiedlich in die Bemessung des Schmerzensgeldes einbezogen. So bewerten manche Richter die strafrechtliche Verurteilung des Schädigers als Buße, die eine weitere Sühne durch eine Erhöhung des Schmerzensgeldes unnötig macht. Andere Richter hingegen lassen eine Kriminalstrafe des Schädigers bei der Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion außer acht (Müller, 1993; siehe auch die für die Entscheidungen maßgebenden besonderen Umstände in Tabelle 2.1, Spalte 7, hervorgehobener Text).

Die Weigerung der Rechtsprechung, die beiden Funktionen des Schmerzensgeldes gesondert zu deklarieren, führt zu einer Intransparenz der Bemessungsgrundlagen. So befindet Stein: "Die ... Behauptung einer Doppelfunktion, die nicht separierbar sei, dient der Rechtsprechung als Deckmantel für die Berücksichtigung aller ... Umstände und vermag so weithin zu angemessenen Ergebnissen führen. Doch ist das kein ausreichender Grund, sie hinzunehmen" (1997, S. 2067). Und auch Kern fordert: "Schmerzensgeld in Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion sollte gesondert ausgewiesen werden. Das erleichtert die rationale Erörterung der jeweils in Betracht kommenden Bemessungsfaktoren" (1991, S. 268).

 

2.4 Rechtliche Bestimmungen der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in den USA

In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Komponenten der Entschädigung (damages) im amerikanischen Recht vorgestellt (Abschnitt 2.4.1). Anschließend wird die gerichtliche Praxis der Zumessung dieser Entschädigungssummen erläutert (Abschnitt 2.4.2) sowie die Folgen dieser Zumessungspraxis diskutiert (Abschnitt 2.4.3).

 

2.4.1 Damages

Im amerikanischen Recht ist die Entschädigung dreigeteilt in die economic damages, die noneconomic damages und die punitive damages (z.B. Greene & Loftus, 1998). Diese Begriffe sind im Deutschen nur unzulänglich mit wirtschaftlicher, nicht-wirtschaftlicher und strafender Schadensersatz zu übersetzen, daher werden im folgenden die US-amerikanischen Bezeichnungen verwandt.

Economic damages

Die economic damages sind äquivalent zu dem deutschen Schadensersatz; auch sie beinhalten die Erstattung aller durch den Schaden verursachten finanziellen Verluste.

Noneconomic damages

Die noneconomic damages haben dieselbe Zielsetzung wie das deutsche Schmerzensgeld in der Ausgleichsfunktion: Sie sollen eine Entschädigung für erlittene Schmerzen, Entstellungen und Behinderungen darstellen. Economic und noneconomic damages werden als compensatory damages zusammengefaßt, da sie beide auf den Ausgleich der entstandenen Schäden hinwirken.

Ist der verursachte Schaden nicht offensichtlich, beispielsweise bei einer Demütigung oder Verleumdung, können sogenannte nominal damages vergeben werden. Nominal damages bestehen in einer symbolhaften Anerkennungssumme, häufig 1 US-Dollar, mit der festgestellt wird, daß ein Recht des Klägers verletzt wurde, wenn auch die Folgen nicht nachweisbar oder nicht gravierend waren. Die nominal damages gewinnen im Zusammenhang mit den Regelungen zur Zumessung der punitive damages an Bedeutung.

Punitive damages

Die punitive damages ähneln dem deutschen Schmerzensgeld in der Genugtuungsfunktion insofern, als auch sie nur bei vorsätzlichem, grob fahrlässigem oder allgemein vorwerfbarem Verhalten des Schädigers vergeben werden sollen. Mit den punitive damages wird eine Bestrafung des Schädigers für sein verwerfliches Verhalten intendiert. Gleichzeitig sollen sowohl der Schädiger selbst als auch andere Personen von ähnlichem Verhalten abgeschreckt werden. Die Genugtuung des einzelnen Geschädigten tritt eher in den Hintergrund; in erster Linie zielen die punitive damages darauf ab, das gekränkte Rechtsempfinden der Allgemeinheit wiederherzustellen (Mörsdorf-Schulte, 1999).

Anders als beim deutschen Schmerzensgeld in der Genugtuungsfunktion werden die punitive damages explizit als ein gesonderter Betrag ausgewiesen. Sie können nur in Kombination mit compensatory damages gewährt werden; es ist nicht möglich, einem Geschädigten ausschließlich punitive damages zukommen zu lassen. Hier liegt die Bedeutung der nominal damages: Durch diese symbolische Form der Entschädigung, die zu den compensatory damages zählt, können nachfolgend auch punitive damages zugesprochen werden (vgl. Mörsdorf-Schulte, 1999).

2.4.2 Die gerichtliche Praxis der Zumessung in den USA

In den USA sind es im Regelfall Laien, die vor Gericht Entschädigungsfälle entscheiden. In Zivilrechtsfällen haben beide beteiligten Parteien ab einem Streitwert von mehr als 20 US-Dollar das Recht, ein Jury Trial zu beantragen; dieses Recht wird in nahezu allen Fällen wahrgenommen.

Der Ablauf eines amerikanischen Civil Jury Trial

Die Jury setzt sich aus Bürgern zusammen, die das Gericht aus Wählerlisten rekrutiert. Je nach Bundesstaat umfaßt eine Jury sechs oder zwölf Mitglieder, auch Geschworene genannt. Im Verfahren stehen der Berufsrichter und die Jury gleichberechtigt nebeneinander.

Zu Beginn des Prozesses halten die Anwälte beider Parteien ihre Eingangsplädoyers. Im Anschluß daran präsentiert erst die Kläger-, dann die Beklagtenseite ihre Sicht des Falles, einschließlich der Zeugen und Beweismittel. Erst nach den Schlußplädoyers der Anwälte am Ende des Verfahrens belehrt der Berufsrichter die Jurymitglieder über das anzuwendende Recht. Anschließend befinden die Geschworenen über die Tatfragen, d.h. sie entscheiden, ob die vorliegende Handlung den vom Richter dargelegten gesetzlichen Tatbestand erfüllt.

Für diese Entscheidung verlassen die Geschworenen den Gerichtssaal, um sich zu einer geheimen Beratung zurückzuziehen und zu einem einstimmigen Entschluß zu kommen. Befindet die Jury, der Tatbestand sei gegeben, so entscheidet der Berufsrichter, welche Rechtsfolgen er nach sich ziehen sollte; in Strafrechtsfällen beispielsweise bestimmt er das Strafmaß.

In Entschädigungsfällen gehört zur Klärung der Tatfragen durch die Jury auch die Feststellung der Schadenshöhe � und somit auch die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Es sind in den USA also juristische Laien, die beschließen, ob einem Kläger eine Entschädigung zusteht und, falls diese Frage bejaht wurde, in welcher Höhe (vgl. Schack, 1995).

Die Jury-Instruktionen

Die Rechtsbelehrung erfolgt im allgemeinen mündlich. Bevor sich die Jury zur Beratung zurückzieht, klärt der Berufsrichter sie über das geltende Gesetzesrecht auf. Die Instruktionen haben juristisch korrekt, gleichzeitig aber in einer für Laien verständlichen Sprache abgefaßt zu sein (vgl. z.B. Guinther, 1988). In der Regel greifen die Gerichte auf Musterbelehrungen zurück; eine häufig verwandte Vorlage sind die Jury-Instruktionen von Douthwaite (1988). Die Belehrungen enthalten allerdings keine expliziten Anweisungen, wie die Entschädigungssummen zu berechnen sind Für die Bestimmung der noneconomic damages beispielsweise kann die Jury instruiert werden "to place the plaintiff, as far as money can do it, in the situation he would have occupied if the wrong had not been committed" (Douthwaite, 1988).

Die Entscheidungsgewalt der Jury

Die Jury begründet ihr gefälltes Urteil nicht. Ob die Geschworenen die Instruktionen des Richters korrekt erfaßt und bei ihrer Entscheidung angewandt haben, kann ebensowenig überprüft werden wie die Tatsachenfeststellungen und Rechtserörterungen, die zu dem gefaßten Entschluß geführt haben. Zudem haben die Geschworenen die explizite Befugnis zur sogenannten Jury Nullification of the Law, die Berechtigung also, sich über das Gesetz hinwegzusetzen, sofern sie es für angemessen erachten (vgl. Rayroux, 1993). Diese Praxis der Rechtsfindung bezeichnet man als Jury Equity; sie wird "von den Anhängern der Ziviljury als höchste Tugend für eine individualisierende Justiz ebenso gepriesen wie sie von den Kritikern des Jurywesens als Instrument der Willkür verurteilt wird" (Rayroux, 1993, S. 125).

Diese Freiheit der Jury wird eingeschränkt durch das Recht des zuständigen Richters, den Geschworenen Kontrollfragen zum Sachverhalt zu stellen, um zu prüfen ob ihr Entscheid mit ihren Antworten auf diese Fragen vereinbar ist. Ebenso kann er statt des üblichen Gesamturteils ein Special Verdict fordern, in dem die Geschworenen ihr Urteil in einzelnen Schritten begründen müssen; dieses Vorgehen ist allerdings nicht die Regel. Der Richter kann ein neues Verfahren einberufen, sollte ihm das von der Jury gefällte Urteil unhaltbar erscheinen. In Absprache mit dem Kläger kann er auch durch ein remittitur den zugesprochenen Betrag reduzieren, um eine erneute Verhandlung zu umgehen; manche Bundesstaaten kennen auch das additur, mit dem der Richter einen ihm unzureichend erscheinenden Betrag aufstocken kann (vgl. Schack, 1995).

 

 

 

2.4.3 Folgen der Zumessungspraxis in den USA

Die unzureichende Kontrolle der Entscheidungsfindung durch die amerikanische Civil Jury wirft gravierende Probleme auf. Bei weitem nicht alle Urteile der Juries werden von den zuständigen Richtern korrigiert, und es werden immer wieder unverständliche und unvorhersehbare Summen zugesprochen (Greene, 1989). Vor allem im Bereich der Produkthaftung sehen sich Hersteller der Gefahr ausgesetzt, als sogenannte Deep-Pocket-Beklagte durch überzogene Schmerzensgeldzahlungen, insbesondere im Bereich der punitive damages, empfindliche Einbußen zu erleiden. Ein Beispiel ist der auch in der deutschen Presse berichtete "Mc Donald�s coffee spill case", in dem einer Frau wegen eines über ihren Schoß gegossenen heißen Kaffees von der Jury punitive damages in Höhe von 2,9 Millionen US-Dollar zugesprochen wurden. Weniger bekannt geworden ist die Tatsache, daß dieser Betrag durch ein remittitur des Richters auf 480.000 US-Dollar herabgesetzt wurde (Mörsdorf-Schulte, 1999). Trotz dieser nachträglichen Korrektur bleibt die gewährte Summe immens (zu den in Deutschland üblichen Schmerzensgeldbeträgen vergleiche noch einmal Tabelle 2.1, Spalte 8). Ebenso bleibt es ein Faktum, daß die Jury, der grundsätzlich die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung anheimgestellt ist, eine wesentlich größere Summe gewähren wollte. Das Risiko solch unvorhersehbarer Beträge wird als eine Bedrohung für das amerikanische Versicherungswesen angesehen (Goodman, Greene & Loftus, 1989).

Ein weiteres Problem der Zumessung der Entschädigungen durch Geschworene ist die offene Frage, ob juristische Laien in der Lage sind, die unterschiedlichen Ziele der verschiedenen Anteile der Entschädigung zu erkennen und angemessen in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Kritiker des amerikanischen Jurysystems befürchten, daß die Geschworenen Faktoren, die in die punitive damages einfließen sollten, gleichzeitig bei den compensatory damages berücksichtigen. Solchen Tendenzen wird in jüngerer Zeit durch sogenannte bifurcated trials entgegengewirkt (Mörsdorf-Schulte, 1999). In dieser Form des Prozesses werden der Jury in einem ersten Teil des Verfahrens nur die Informationen geliefert, die für die Zumessung der compensatory damages relevant sind. Erst wenn die Jury die Höhe dieser Anteile der Entschädigung bestimmt hat, wird sie über die Aspekte des Falles unterrichtet, die von Bedeutung für die Bemessung der punitive damages sind, um eine diesbezügliche Entscheidung zu treffen. Diese und ähnliche Maßnahmen werden in den USA in jüngerer Zeit verstärkt entwickelt und erforscht, um trotz einer Beibehaltung des Jurysystems in der derzeitigen Form zu einer besser vorhersehbaren und kontrollierteren Praxis der Entschädigungszumessung zu finden.

2.5 Fazit

Sowohl im deutschen wie auch im amerikanischen Rechtssystem treten Schwierigkeiten bei der Schmerzensgeldzumessung auf. In Deutschland führt die nicht vollzogene Trennung der Ausgleichs- und der Genugtuungsfunktion zu einer Intransparenz in der Bemessung. In den USA werden gesonderte Beträge für Ausgleich und Sühne ausgewiesen; hier ist es jedoch die Laienbeteiligung an der Gerichtsbarkeit, die eine Undurchschaubarkeit der Zumessungsprozesse bewirkt. Kritiker des amerikanischen Jurysystems beanstanden, die Geschworenen sprächen unvorhersehbare und bisweilen unverständlich hohe Summen zu. Ihre Entscheidungen seien von Sympathien und Ressentiments geleitet und daher von einer gewissen Beliebigkeit. Zudem seien sie in vielen Fällen nicht imstande, die gesetzlichen Regelungen angemessen zu berücksichtigen. Diese Vorwürfe beinhalten nicht nur eine Mißbilligung der Jury-Urteile im Ergebnis, sie stellen den gesamten Prozeß der Entschädigungszumessung durch juristische Laien in Frage. Hier kann die psychologische Forschung die Kritik, der die Entscheidungsprozesse der Juries ausgesetzt sind, aufgreifen und Faktoren identifizieren, die die Bemessung der Beträge beeinflussen. So können Schwächen, die im Rahmen der Urteilsfindung bei der Schadensersatz- und Schmerzensgeldzumessung eine Rolle spielen, erkannt werden. Auf der Basis dieser Erkenntnisse ist es möglich, Methoden zu entwickeln und zu überprüfen, die den Entscheidungsprozeß optimieren. Ein Überblick über die empirische Literatur zu diesem Thema wird im nächsten Kapitel gegeben.

3. Überblick über die empirischen Befunde zur Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld

In diesem Kapitel werden zunächst verschiedene Ansätze zur Untersuchung US-amerikanischer Juryentscheidungen vorgestellt. In der Regel handelt es sich um Verbundforschung psychologischer und juristischer Wissenschaftler. Es werden Vorteile und Grenzen der jeweiligen Vorgehensweisen sowie typische Befunde dieser Untersuchungen geschildert (Abschnitt 3.1). Anschließend folgt ein Überblick über Studien mit dem sogenannten Mock-Jury-Design � einer experimentellen Anordnung, in der den Probanden verschiedene Versionen eines fiktiven Rechtsfalles zur Entscheidung vorgelegt werden � die diese typischen Befunde aufgreifen und näher analysieren (Abschnitt 3.2).

3.1 Forschungsansätze zur Untersuchung von Jury-Entscheidungen

Die meistverwandten Forschungsansätze zur Untersuchung von Jury-Entscheidungen in Entschädigungsprozessen sind Archivanalysen und Interviews der Prozeßbeteiligten.

3.1.1 Archivanalysen

In Archivanalysen werden Juryentscheidungen bestimmter Gerichte oder Gerichtsbezirke aus einem längeren Zeitraum untersucht. Sie ermöglichen die statistische Überprüfung des Einflusses einzelner Faktoren auf die Höhe der gewährten Entschädigungssummen (vgl. Greene, 1989).

Eine Archivanalyse der Juryurteile aus Florida und Kansas City in den Jahren 1973 bis 1987 ergab, daß gravierende Verletzungen im Schnitt zu höheren compensatory damages führten. Zusätzlich jedoch zeigten sich deutliche Unterschiede in der Höhe dieses Entschädigungsanteils für etwa gleichschwere Schäden verschiedener Kläger. Ein Befund verdeutlicht das Ausmaß dieses oft als horizontal inequity bezeichneten Effekts: So variierten die compensatory damages für Tetraplegie und andere Verletzungen, die eine lebenslange Pflegebedürftigkeit nach sich ziehen, von 147.000 bis 18.100.000 US-Dollar (Bovberg, Sloan & Blumstein, 1989; vgl. Saks, Hollinger, Wissler, Evans & Hart, 1997; Sloan & Hsieh, 1990). Hammitt, Carroll und Relles (1985) fanden, daß die Entschädigungen von Klägern, die selbst eine Mitschuld an der Entstehung des Schadens trugen, bereits vor Abzug des Betrages, der ihre Selbstverantwortung in Rechnung stellt, niedriger ausfielen als die Entschädigungssummen vergleichbarer Kläger ohne Eigenverschulden. Diesen Effekt der zweifachen Reduktion des Schmerzensgeldes mitverantwortlicher Geschädigter bezeichnet man als Double-Discount-Effekt. In Prozessen, in denen nicht eine Privatperson, sondern eine Körperschaft belangt wurde, wurden deutlich höhere compensatory damages gewährt; dieses Ergebnis stützt die Annahme eines Deep-Pocket-Effekts, der eine ungleiche Behandlung von Körperschaften und Einzelpersonen beschreibt (siehe auch Bovberg, Sloan, Dor & Hsieh, 1991).

Koenig und Rustad (1993) fanden, daß punitive damages zwar selten vergeben werden, in ihrer Höhe aber steigen (vgl. auch Daniels & Martin, 1990; Galanter, 1998). Zudem wurden punitive damages häufiger bei schweren Verletzungen des Klägers gewährt, obwohl das Ausmaß des entstandenen Schadens keinen Einfluß auf die Vergabe dieses sanktionsähnlichen Entschädigungsanteils haben sollte.

Eine Schwierigkeit von Archivanalysen liegt darin, daß es keine zentralen Sammlungen von Gerichtsentscheidungen gibt. So können in jeder Studie nur eine begrenzte Anzahl von Urteilen aus einem begrenzten Bezirk und einem begrenzten Zeitraum einbezogen werden, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse beeinträchtigt. Zudem können Archivanalysen nur belegen, daß bestimmte Faktoren die Höhe oder die Häufigkeit der Vergabe bestimmter Entschädigungsanteile beeinflussen; sie können jedoch nicht erklären, warum dieser Einfluß besteht. Steht der Prozeß der Entscheidungsfindung im Zentrum des Forschungsinteresses, sind Archivanalysen daher nur von geringem Nutzen (Greene, 1989).

3.1.2 Interviews

Eine Möglichkeit, die Prozesse der Entscheidungsfindung näher zu beleuchten, bieten Befragungen der Geschworenen nach Abschluß des Verfahrens. Um die Urteile der Jury mit potentiellen Expertenentscheidungen vergleichen zu können, werden bisweilen auch die zuständigen Richter um ihre Einschätzung des Falles gebeten.

Interviews der Geschworenen

Austin (1984) interviewte Jurymitglieder über ihre Methoden der Entschädigungsberechnung. Die Befragten äußerten, während des Prozesses nicht erwartet zu haben, daß man sie mit der Berechnung der Entschädigung betrauen würde; sie seien daher bei der Darlegung der relevanten Informationen nicht besonders aufmerksam gewesen. Einzelne Geschworene einer anderen Jury gaben an, immense Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Entschädigungssummen gehabt zu haben.

In einem großangelegten Interviewprojekt der Roscoe Pound Foundation in den Jahren 1985 und 1986 erklärten 32% der Befragten, sich an dem sogenannten ad damnum, der Forderung des Anwalts der Klägerseite, orientiert zu haben; 68% der Juries erreichten ihr Urteil durch eine Diskussion, ohne explizite Rechenstrategien benennen zu können. Über 12% der befragten Geschworenen gaben an, die Instruktionen des Richters gar nicht oder nur teilweise verstanden zu haben (Guinther, 1988; für ein ähnliches Ergebnis siehe auch Reifman, Gusick & Ellsworth, 1992). Es wird daher in jüngerer Zeit verstärkt nach Möglichkeiten gesucht, die Verständlichkeit der richterlichen Jury-Instruktionen zu erhöhen (vgl. Greene & Bornstein, in Druck; Wissler, Kuehn & Saks, in Druck; Diamond & Casper, 1992).

Selvin und Picus (1987) interviewten die Mitglieder einer Jury nach einem Produkthaftungsfall und fanden heraus, daß die Geschworenen bei der Berechnung der compensatory damages Kosten des Klägers berücksichtigt hatten, die sie nach den Anweisungen des Richters hätten außer acht lassen müssen, beispielsweise Anwaltshonorare und eventuell abzuführende Steuern (vgl. auch Goodman, Greene & Loftus, 1989). Auch bei der Bestimmung der punitive damages bezogen sie diese Faktoren ein, obwohl sie für die Bemessung dieser Komponente der Entschädigung ebenfalls nicht von Belang sind (vgl. auch Guinther, 1988, sowie Hastie, Schkade & Payne, 1998, 1999).

Interviews der zuständigen Richter

Kritiker des Jurysystems vermuten, daß Geschworene dazu tendieren, insbesondere im Bereich der noneconomic damages überzogene Summen zu gewähren. In diesem Vorwurf implizit enthalten ist die Annahme, daß die Entschädigungsbeträge bei einer Zumessung durch einen Berufsrichter anders ausfielen (vgl. Vidmar & Rice, 1993). Da ein Entschädigungsfall nur entweder von einem Richter oder von einer Jury entschieden wird, liegen im Regelfall keine vergleichbaren Daten von Richtern und Geschworenen zum selben Fall vor. Um dennoch Vergleiche anstellen zu können, wird auf sogenannte shadow verdicts zurückgegriffen, bei denen der zuständige Richter angibt, welche Entschädigungssummen er in dem von ihm betreuten Fall gewährt hätte. Diese Summen können dann mit den von der Jury zugemessenen Beträgen verglichen werden.

In einer älteren Untersuchung solcher shadow verdicts waren Richter und Geschworene bei der Entscheidung über die Haftpflichtigkeit des Beklagten in 79% der Fälle einig; insgesamt aber gewährte die Jury 20% mehr Geld, als es die Richter getan hätten (Kalven & Zeisel, 1966). Neuere Studien deuten darauf hin, daß Richter bei Körperverletzungen sogar höhere Entschädigungen gewähren als Juries, die wiederum in Kunstfehlerprozessen großzügigere Beträge bemessen (Saks, 1992).

Befragungen der Jurymitglieder und der zuständigen Richter sind die einzige Möglichkeit, Informationen über den Entscheidungsprozeß in einem realen Verfahren aus erster Hand zu erhalten. Interviews mit den Geschworenen sind jedoch nur mit der Einwilligung des zuständigen Richters möglich, und viele Richter verweigern ihre Zustimmung, weil sie befürchten, die unterlegene Partei könne in den Interviews eine Grundlage für die Anfechtung des Verfahrens finden. Zudem besteht das Risiko, durch Erinnerungseffekte verzerrte Informationen zu erhalten. Eine der größten Schwächen dieses Verfahrens liegt in der mangelnden Verallgemeinerbarkeit dieser Einzelfallbetrachtungen. Ein Ansatz, der eine gewisse Generalisierung über die gegebene Situation hinaus erlaubt, ist das sogenannte Mock-Jury-Design.

3.2 Experimentelle Ansätze mit dem Mock-Jury-Design

Das Mock-Jury-Design ist eine experimentelle Anordnung, in der den Probanden verschiedene Versionen eines fiktiven Rechtsfalles zur Entscheidung vorgelegt werden. Dieses Design ermöglicht es, die interessierenden Faktoren gezielt zu manipulieren und so ihren Einfluß auf bestimmte Komponenten der Entschädigung isoliert zu erforschen. Zusätzlich können durch anschließende Fragebögen die Entstehungsprozesse dieser Entscheidungen beleuchtet werden. Zusammenhänge, die mit anderen Untersuchungsmethoden entdeckt wurden, werden so einer systematischen Betrachtung zugänglich gemacht.

Mock-Jury-Studien sind keine exakten Prozeßsimulationen; meist werden den Probanden schriftliche Zusammenfassungen der Rechtsfälle vorgelegt oder Videobänder eines fiktiven Verfahrens gezeigt. Zudem wissen die Probanden, daß ihre Urteile keine Konsequenzen nach sich ziehen und verhalten sich unter Umständen anders, als sie es in einem realen Gerichtsverfahren täten (Guinther, 1988). Obwohl die Ergebnisse dieser Studien nicht direkt auf die Urteilssituation in einem realen Prozeß übertragbar sind, können sie dennoch über eine bestimmte Gruppe von Probanden hinaus generalisiert werden und erlauben einen systematischen Einblick in die Mechanismen der Entscheidungsfindung. Der nächste Abschnitt bietet einen Überblick über die Ergebnisse von Untersuchungen, in denen das Mock-Jury-Design verwendet wurde.

Der übliche Ablauf eines amerikanischen Zivilverfahrens sieht vor, daß die Jury über alle Fakten informiert wird, bevor sie sich zur Beratung zurückzieht und eine Reihe grundverschiedener Entscheidungen fällen soll: Sie muß befinden, ob der Beklagte für den entstandenen Schaden verantwortlich und damit dem Kläger zur Haftung verpflichtet ist; beantwortet sie diese Frage positiv, steht sie vor der Aufgabe, den finanziellen Verlust des Geschädigten abzuschätzen und seine Verletzungen, Schmerzen und Leiden in einen Geldbetrag zu transformieren. Trägt der Kläger selbst eine Mitschuld an dem entstandenen Schaden, so muß sie die prozentualen Anteile der Schuld beider Parteien bestimmen. Schließlich muß sie entscheiden, ob das Verhalten des Schädigers die zusätzliche Gewährung von punitive damages rechtfertigt, und falls ja, muß sie die Höhe dieser Sanktion festlegen.

Jede dieser Entscheidungen verlangt die Berücksichtigung bestimmter Faktoren, während jeweils andere Informationen außer acht gelassen werden müssen. Befunde aus Archivanalysen und Interviews mit Geschworenen lassen Zweifel daran aufkommen, ob die Juries diesen komplexen Anforderungen in allen Details gewachsen sind. In den folgenden Abschnitten werden Untersuchungen vorgestellt, die überprüfen, ob sich Geschworene bei ihrer Entscheidung über die Verantwortlichkeit des Beklagten von dem Ausmaß des entstandenen Schadens beeinflussen lassen (Abschnitt 3.2.1), ob die Entschädigung eines mitverantwortlichen Klägers zweifach reduziert wird (Abschnitt 3.2.2), ob die finanzielle Situation des Beklagten sich auf die Kompensation des Geschädigten auswirkt (Abschnitt 3.2.3) und ob Informationen, die nur für die Zumessung von punitive damages von Belang sind, auch auf Entscheidungen einwirken, die die Haftpflichtigkeit oder die compensatory damages betreffen (Abschnitt 3.2.4).

Eine generelle Schwäche der Forschungsansätze zu Juryentscheidungen über Schadensersatz und Schmerzensgeld ist der weitgehende Verzicht auf theoretische und prädiktive Modelle zur Erklärung der Tendenzen in der Zumessung der Entschädigungssummen (zu dieser Kritik siehe auch Wissler, Evans, Hart, Morry & Saks, 1997). Im folgenden werden daher Studien, die sich um eine theoretische Einbettung der Befunde bemühen, ausführlicher dargestellt als die Ergebnisse von Untersuchungen, denen ein derartiger Theoriebezug fehlt.

3.2.1 Schadenshöhe und Verantwortung

Die erste Entscheidung, die die Jury zu Abschluß eines Entschädigungsverfahrens treffen muß, ist die, ob der Beklagte für die Schäden des Klägers verantwortlich und demnach haftpflichtig ist. Zu diesem Zeitpunkt besitzen die Geschworenen Informationen über den Beitrag des Beklagten zur Entstehung des Schadens sowie über die Höhe der finanziellen Verluste und die Schwere der Verletzungen; sie verfügen über Hinweise über ein eventuell verwerfliches Verhalten des Beklagten, seine Identität und seine Vermögensverhältnisse, und sie wissen um eine eventuelle Mitschuld des Klägers.

Bei der Entscheidung über die Haftpflichtigkeit des Beklagten sind die Geschworenen angewiesen, nur diejenigen Informationen in ihre Überlegungen einzubeziehen, die die Verantwortlichkeit des Beklagten für die Schadensentstehung betreffen. Während manche Autoren keinen Zusammenhang zwischen der Schwere der Verletzungen und der Höhe der zugeschriebenen Verantwortung fanden (z.B. Thomas & Parpal, 1987; Wissler et al., 1997), deuten die Befunde anderer Autoren jedoch darauf hin, daß Geschworene bei ihrer Entscheidung über die Verantwortlichkeit das Ausmaß des entstandenen Schadens durchaus in Betracht ziehen. Greene, Johns und Bowman (1999) manipulierten die Höhe des entstandenen Schadens sowie die Achtlosigkeit des Schädigerverhaltens und fanden, daß nicht nur der Beitrag des Beklagten zur Entstehung des Schadens die Beurteilung der Haftpflichtigkeit beeinflußte; auch die Schwere der Verletzungen des Klägers wirkte sich auf die Einschätzung der Verantwortlichkeit aus. Eine Studie von Horowitz und Bordens (1990) erbrachte ein ähnliches Ergebnis: Probanden, die Informationen über die Schwere der Verletzungen des Klägers besaßen, befanden den Beklagten öfter für haftpflichtig als solche Probanden, denen keine Informationen über das Ausmaß des Schadens zur Verfügung standen.

Untersuchungen zur Zuschreibung von Verantwortung legen nahe, daß die Einschätzung der Verantwortlichkeit eines Akteurs davon abhängt, als wie gravierend die Konsequenzen eines Ereignisses angenommen werden. Walster fand bereits 1966, daß einem Verursacher mehr Verantwortung für einen Unfall zugeschrieben wird, wenn der resultierende Schaden höher ist. Es besteht also Anlaß zu der Vermutung, ein Beklagter könne von einer Jury dann eher für haftpflichtig befunden werden, wenn der Kläger gravierende finanzielle Verluste und Verletzungen erlitten hat (für eine auf das deutsche Strafrecht bezogene Analyse dieses Zusammenhangs siehe Oswald, 1989). Dieser Effekt könnte auf emotionalen Reaktionen der urteilenden Personen beruhen, die Sympathie für ein schwerer verletztes Unfallopfer empfinden und das Bedürfnis verspüren, ihm zu helfen, indem sie jemanden für den Unfall verantwortlich und somit dem Opfer zur Haftung verpflichtet befinden. Ausgehend von diesen Annahmen manipulierte Bornstein (1998) in einer Mock-Jury-Studie die Schwere der entstandenen Verletzungen, während er die Hinweise auf eine Verursachung durch den Beklagten konstant hielt. Die Probanden gaben an, wie hoch sie die Verantwortung des Beklagten für die Entstehung der Schäden einschätzten, wieviel Geld der Kläger als Entschädigung erhalten solle und wieviel Sympathie sie für die beiden Parteien empfanden. Die Probanden hielten den Beklagten bei identischen Informationen über sein Verhaltens bei gravierenden Verletzungen des Opfers beinahe doppelt so häufig für verantwortlich wie bei leichten Verletzungen. Zusätzlich zeigte sich, daß dieser Einfluß der Verletzungsschwere auf die Zuschreibung der Verantwortlichkeit durch die emotionalen Reaktionen vermittelt war: Bei schweren Verletzungen empfanden die Probanden signifikant mehr Sympathie für den Geschädigten und Antipathie gegen den Beklagten als bei leichten Verletzungen. Der schwerverletzte Kläger bekam jedoch durchschnittlich nicht mehr Geld zugesprochen als der leichtverletzte. Der Autor erklärt diesen Befund damit, daß in beiden Fällen die geforderte Summe des Klägeranwalts dieselbe war und die Probanden sich an dieser Summe orientiert haben könnten. Diese Interpretation steht im Einklang mit Befunden von Raitz, Greene, Goodman und Loftus (1990), die belegen, daß Mock-Juries die Forderungen des Anwalts als Bezugspunkt für ihre Entscheidungen nehmen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß es empirische Hinweise dafür gibt, daß a) ein Zusammenhang zwischen der Schadenshöhe und der Zuschreibung von Verantwortung besteht und daß b) dieser Zusammenhang durch emotionale Reaktionen vermittelt wird.

3.2.2 Der "Double-Discount"-Effekt

In einigen Fällen tragen sowohl der Beklagte als auch der Kläger selbst Verantwortung für die entstandenen Schäden. Nach amerikanischem Recht wird dann eine sogenannte comparative negligence rule angewandt: In einem ersten Schritt sollen die Geschworenen bestimmen, zu welchem Prozentsatz die jeweilige Partei den Schaden verschuldet hat; danach setzen sie die sogenannten gross damages fest, einen Betrag, der einen unschuldigen Geschädigten vollständig kompensieren würde. In einem dritten Schritt errechnet der Richter den endgültigen Entschädigungsbetrag, indem er die gross damages um den prozentualen Anteil der Mitschuld des Klägers reduziert (für eine Übersicht über die geringfügig unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Staaten siehe Zickafoose & Bornstein, 1999). Der Prozentsatz der Mitschuld des Klägers sollte nur mit seinem wirklichen Verschulden korrespondieren, während der für die gross damages festgesetzte Betrag nur von der Schadenshöhe beeinflußt sein sollte.

Ergebnisse aus Archivanalysen zeigen allerdings, daß bereits die gross damages mitschuldiger Kläger niedriger sind als die vergleichbarer Kläger, die keine Mitverantwortung für den ihnen entstandenen Schaden tragen (vgl. Hammitt et al., 1985). Experimentelle Befunde stützen dieses Resultat (Feigenson, Park & Salovey, 1997; Thomas & Parpal, 1987; Zickafoose & Bornstein, 1999).

Feigenson et al. (1997) vermuten, daß Probanden auf die Mitverantwortlichkeit des Klägers mit Ärger reagieren und deshalb bereits vor der vorgeschriebenen Reduktion der Entschädigung eine Kürzung des Betrages vornehmen. Die Autoren manipulierten daher sowohl das Ausmaß der Verletzungen des Geschädigten als auch seine Mitschuld an der Entstehung dieser Verletzungen. Zusätzlich erhoben sie die emotionalen Reaktionen der Probanden sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten gegenüber. Es zeigte sich, daß die gross damages, die mitschuldigen Klägern zugesprochen wurden, bereits vor der richterlichen Reduktion um den prozentualen Anteil der Mitschuld signifikant niedriger ausfielen. Die Probanden haben also ihr Wissen um die Mitverantwortlichkeit entgegen den Instruktionen in die Bemessung der Entschädigung einfließen lassen. Die Probanden empfanden zudem signifikant mehr Ärger über den Kläger, wenn er an der Verursachung des Schadens beteiligt war. Die emotionalen Reaktionen dem Beklagten gegenüber änderten sich hingegen nicht über die Bedingungen; dieser Befund kann darauf zurückzuführen sein, daß das Verhalten des Beklagten nicht über die Bedingungen variiert wurde.

Auch Zickafoose und Bornstein (1999) fanden eine Reduktion der gross damages bei einer Mitverschuldung des Schadens durch den Kläger. Sie manipulierten zusätzlich das Ausmaß der Mitverantwortung und stellten fest, daß es keinen Einfluß auf die Höhe der gross damages hatte, ob die Mitschuld des Klägers 20% oder 40% betrug.

3.2.3 Der "Deep-Pocket"-Effekt

Archivanalysen von Gerichtsentscheidungen (Bovberg et al., 1991; Hammitt et al., 1985) deuten darauf hin, daß Körperschaften bei vergleichbaren Schäden zu höheren Entschädigungsbeträgen verurteilt werden als beklagte Einzelpersonen. Diese Erhöhung der Summen bezieht sich nicht nur auf die punitive damages, bei denen die finanziellen Verhältnisse des Beklagten eine Rolle spielen, sondern auch auf die compensatory damages, die nur von der Höhe des entstandenen Schadens abhängig sein sollten.

Eine verbreitete Erklärung dieses Effekts lautet, daß sogenannte Deep-Pocket-Beklagte es sich aufgrund ihres Vermögens leisten können, mehr zu bezahlen, und von der Jury daher auch bei der Bemessung der compensatory damages zu höheren Summen verurteilt werden (vgl. Chin & Peterson, 1985). Hans und Ermann (1989) vermuten einen anderen Grund: Da Körperschaften Zusammenschlüsse von Individuen mit speziellen Fähigkeiten sind, sei es wahrscheinlich, daß ihnen größere Voraussicht und höhere Rationalität zugeschrieben werde sowie eine gesteigerte Fähigkeit, Konsequenzen ihres Handelns zu antizipieren. Die Attribution dieser Merkmale könne zur Zuschreibung von erhöhter Verantwortlichkeit führen, die ihrerseits den Effekt der Zumessung höherer Entschädigungssummen bei beklagten Körperschaften erklären könne.

Um diese Annahmen zu prüfen, variierten Hans und Ermann (1989) in einem Mock-Jury-Design die Identität des Beklagten: Während alle anderen Fakten des Falles konstant blieben, wurde in der einen Version ein "Mr. Jones" als Beklagter genannt, in der anderen Version eine "Jones Corporation". Die Autoren erhoben zusätzlich zu einer Beurteilung der Haftpflichtigkeit des Beklagten und der Höhe der für angemessen befundenen Entschädigungssummen auch die Beurteilung der kriminellen Strafwürdigkeit des Schädigers. Ebenfalls erfragt wurden Einschätzungen der Vermögensverhältnisse sowie der Rücksichtslosigkeit des Beklagten; in dem Faktor "Rücksichtslosigkeit" war die Frage enthalten, ob der Akteur die Konsequenzen seines Verhaltens hätte vorhersehen können. Es zeigte sich, daß die Körperschaft signifikant häufiger für haftpflichtig befunden wurde und signifikant höhere economic und noneconomic damages bezahlen sollte, obwohl der finanzielle Schaden und die Verletzungen in beiden Bedingungen als gleich hoch eingeschätzt wurden. Zudem wurde die Körperschaft öfter als kriminell strafwürdig eingestuft. Die wahrgenommene Rücksichtslosigkeit war der stärkste Prädiktor für Haftbarkeit, Höhe der Entschädigung und strafrechtliche Schuldigkeit; die vermuteten finanziellen Verhältnisse hatten keinen Einfluß auf diese Entscheidungen.

Die Autoren folgern aus diesen Ergebnissen, daß die Probanden offensichtlich einen anderen Standard der Sorgsamkeit an Körperschaften anlegen. Sie schließen aus der Tatsache, daß die höheren Entschädigungssummen nicht mit den finanziellen Verhältnissen, sondern mit der wahrgenommenen Rücksichtslosigkeit des Beklagten zusammenhingen, daß die Probanden eher darauf abzielten "to punish reckless behavior than to pick a deep pocket" (Hans & Ermann, 1989, S. 164). In dieser Studie wurden keine punitive damages erhoben; es kann daher nicht überprüft werden, ob sich der Effekt der Rücksichtslosigkeit des Schädigerverhaltens auf die compensatory damages gemildert hätte, wäre den Probanden die Möglichkeit gegeben worden, nicht nur die strafrechtliche Schuldigkeit zu bestimmen, sondern auch eine Strafhöhe in Form von punitive damages festzulegen. Dennoch bleibt der Effekt der erhöhten wahrgenommenen Rücksichtslosigkeit (einschließlich der zugeschriebenen Fähigkeit, die Konsequenzen antizipiert zu haben) auf die Höhe der gewährten Entschädigungen, während der Einfluß der finanziellen Verhältnisse ausblieb. "These results suggest that the �deep pocket effect� might well be renamed the �perceived responsibility effect�" (Saks, 1992, S. 1277).

MacCoun (1996) überprüfte diese Annahme, indem er dem Material des oben beschriebenen Experiments von Hans und Ermann (1989) in einer dritten Bedingung ein der Körperschaft finanziell gleichgestelltes Individuum hinzufügte. Wieder wurde die Körperschaft signifikant häufiger für haftbar gehalten und mußte signifikant höhere Entschädigungen bezahlen. Zwischen der wohlhabenden und der finanziell schlechtgestellten Einzelperson aber ergaben sich keine Unterschiede. Der Deep-Pocket-Effekt scheint also nicht auf die finanzielle Situation zurückzuführen zu sein; vielmehr scheint Körperschaften mehr Verantwortung zugeschrieben zu werden, die sich in erhöhten Entschädigungssummen niederschlägt.

3.2.4 Entschädigung und Bestrafung

Punitive damages sollten nur bei vorsätzlichem, grob fahrlässigem oder allgemein vorwerfbarem Verhalten des Beklagten vergeben werden. Das Ausmaß des finanziellen Schadens sowie die Schwere der entstandenen Verletzungen sollten keinen Einfluß auf die Höhe der punitive damages haben. Umgekehrt sollte sich auch die für die punitive damages relevante Verwerflichkeit des Schädigerverhaltens nicht auf die Höhe der compensatory damages auswirken.

Die Befunde aus Archivanalysen (vgl. Koenig & Rustad, 1993) und Interviews mit Geschworenen (vgl. Selvin & Picus, 1987) deuten jedoch darauf hin, daß solche Informationen, die nur für die Vergabe von punitive damages relevant sind, und solche, die sich nur auf die compensatory damages auswirken sollten, bei der Bemessung der Entschädigungssummen vermischen (vgl. auch Mogin, 1998).

Neuere Untersuchungen erforschen daher den Effekt einer Trennung des Prozesses in zwei verschiedene Abschnitte. In diesen sogenannten bifurcated trials erhält die Jury in einem ersten Teil des Verfahrens nur solche Informationen, die für die Entscheidung, ob der Beklagte für haftpflichtig befunden werden soll, und für die Bemessung der compensatory damages relevant sind. Erst nachdem die Geschworenen diese Beträge festgesetzt haben, werden sie in einem zweiten Teil des Prozesses über Fakten wie die Verwerflichkeit des Schädigerverhaltens oder die Vermögensverhältnisse des Beklagten informiert, um aufgrund ihrer Einschätzung dieser Tatsachen die Höhe der punitive damages zu bestimmen. Diese Zweiteilung des Verfahrens soll verhindern, daß die Geschworenen den Beklagten häufiger für haftpflichtig befinden oder die compensatory damages erhöhen, weil sie durch Informationen beeinflußt werden, die sie lediglich bei der Zumessung der punitive damages hätten beachten sollten (vgl. Greene, Woody & Winter, 2000; Horowitz & Bordens, 1990; Landsman, Diamond, Dimitropoulos & Saks, 1998).

Im Rahmen der Untersuchung des Deep-Pocket-Effekts wurde ein Einfluß der wahrgenommenen Rücksichtslosigkeit des Beklagten auf die Höhe der compensatory damages festgestellt (vgl. Hans & Ermann, 1989; MacCoun, 1996); rechtlich sollte sich die Verwerflichkeit des Schädigerverhaltens jedoch nur auf die Höhe der punitive damages auswirken. Diese Studien belegen somit einen Einfluß der Informationen, die nur für die punitive damages von Bedeutung sind, auf die Zumessung der Entschädigung. Andere Untersuchungen konnten diesen Befund nicht replizieren (vgl. Cather, Greene & Durham, 1996; Greene et al., 2000; Landsman et al., 1998). Horowitz und Bordens (1990) fanden sogar signifikant höhere compensatory damages in geteilten Verfahren � ein Befund, den die Autoren selbst zunächst als kontraintuitiv bezeichnen (S. 281). Sie erklären diesen Effekt mit der Tatsache, daß die Probanden in dem geteilten Verfahren bei der Zumessung der compensatory damages nicht darüber informiert waren, daß ihnen in einem weiteren Schritt die Möglichkeit geboten würde, zusätzliche punitive damages zu vergeben. Die Autoren vermuten daher, die Probanden "may have put all their damage awards in �one basket�, that basket being compensatory damages" (S. 284).

Probanden in ungeteilten Verfahren, die bei ihren Überlegungen zu der Haftpflichtigkeit des Beklagten solche Informationen bereits erhalten hatten, befanden signifikant häufiger, daß der Beklagte dem Schädiger zur Haftung verpflichtet sei (Horowitz & Bordens, 1990; Landsman et al. 1998; in der Studie von Greene et al., 2000, wurde den Probanden mitgeteilt, der Beklagte sei bereits für haftpflichtig erklärt worden; für einen ähnlichen Befund siehe auch Alicke, 1992). Die Entscheidung der Geschworenen, ob der Beklagte für die Schäden des Klägers zur Haftung herangezogen werden solle, scheint demnach eher durch Informationen beeinflußt zu werden, die nur für die punitive damages relevant sind.

Die Studien weisen darauf hin, daß in geteilten Verfahren die punitive damages nicht nur häufiger gewährt wurden (Landsman et al., 1998), sondern auch höher waren als in einfachen Verfahren (Landsman et al., 1998; Greene et al., 2000). Landsman et al. (1998) erklären diesen Befund damit, daß die Geschworenen verärgert sein könnten, weil ihnen bei ihrer Entscheidung über die Entschädigungssumme Informationen über das Verhalten des Beklagten vorenthalten wurden. Da es ihnen nicht möglich gewesen sei, ihre erste Entscheidung zu revidieren, könnten sie in der Bemessung der punitive damages eine scheinbar versäumte Erhöhung der Entschädigung nachgeholt haben.

3.3 Fazit

Sowohl die Untersuchungen von Jury-Entscheidungen als auch experimentelle Ansätze mit dem Mock-Jury-Design haben gezeigt, daß juristische Laien bei der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld anders entscheiden als rechtlich vorgeschrieben. Sie beachten die Höhe des entstandenen Schadens bei der Beurteilung der Verantwortung des Beklagten, sie reduzieren die Beträge mitverantwortlicher Kläger zweifach, sie erhöhen auch die compensatory damages, wenn sie einer Körperschaft mehr Verantwortung zuschreiben, und sie verwechseln bisweilen die Ziele von Entschädigung und Bestrafung. Diese empirischen Ergebnisse ließen sich vielfach replizieren; über die Ursachen solcher rechtlich fehlerhaften Entscheidungen ist jedoch wenig bekannt. Um verstehen zu können, warum juristische Laien Urteile fällen, die den Intentionen des Gesetzes zuwiderlaufen, müssen die Grundlagen dieser Entscheidungsprozesse gezielt aufgezeigt werden. Ein umfassendes Verständnis der psychologischen Vorgänge, die zu solchen fehlgeleiteten Urteilen führen, bildet die Basis für die Entwicklung von Maßnahmen, die eine fundiertere Praxis der Entschädigungszumessung durch juristische Laien unterstützen. In der bisherigen Forschung fehlt es jedoch weitgehend an theoretischen Erklärungsmodellen, die diese grundlegenden Zusammenhänge einer systematischen Untersuchung zugänglich machen könnten. Bisherige Ergebnisse legen nahe, daß die Zuschreibung von Verantwortung und die damit korrespondierenden Emotionen bei der Zumessung der Entschädigung eine wichtige Rolle spielen. Im nächsten Kapitel soll daher ein theoretischer Rahmen entwickelt werden, der die kognitive Bewertung negativer Ereignisse und die daraus resultierenden emotionalen Reaktionen mit der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verbindet.

4. Kognitive und emotionale Bewertung negativer Ereignisse

Dieses Kapitel entwickelt einen theoretischen Rahmen der Bewertung negativer Ereignisse durch juristische Laien. Die Darstellung orientiert sich an der Arbeit von Nerb (2000). Es werden Annahmen zur kognitiven Bewertung negativer Ereignisse (Abschnitt 4.1), den resultierenden emotionalen Reaktionen (Abschnitt 4.2) und Handlungsintentionen (Abschnitt 4.3) aufgestellt. Dabei werden insbesondere auch Bezüge zum deutschen Recht hergestellt. Anschließend erfolgt eine Übertragung auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien. Aus diesen Annahmen werden schließlich die Fragestellungen der vorliegenden Untersuchung abgeleitet (Abschnitt 4.4).

4.1 Kognitive Bewertung

Wichtige Elemente der kognitiven Bewertung von negativen Ereignisse sind die Einschätzung des entstandenen Schadens und die Zuschreibung von Verantwortung für die Entstehung dieses Schadens. Es besteht ein hohes Maß an Übereinstimmung in der psychologischen Forschung, welche Faktoren die Zuschreibung von Verantwortung für ein Ereignis bestimmen (vgl. Shaver, 1985; Shultz, Schleifer & Altman, 1981; Weiner, 1995). Die Zuschreibung von Verantwortung für negative Ereignisse erfolgt oft spontan und spielt eine wichtige Rolle bei der Bewältigung solcher Vorfälle (vgl. Nerb, Bender & Spada, 2000).

Nach Weiner (z.B. 1995; vgl. auch Shaver, 1985) wird einem Akteur dann hohe Verantwortung für einen entstandenen Schaden zugeschrieben, wenn (a) er den Schaden verursacht hat (personale Verursachung), (b) er den Schaden hätte verhindern können (Kontrolle) und (c) keine mildernden Umstände vorliegen. Solche mildernden Umstände können bestehen, wenn der Akteur mangelndes Wissen um die Gefährlichkeit dieser Handlung besaß oder ein höheres Ziel verfolgte, also moralisch gut vertretbare Beweggründe als Anlaß seines Verhaltens vorlagen. Diese Elemente der kognitiven Bewertung werden im folgenden auf den juristischen Bereich übertragen.

Schaden

Die Einschätzung des entstandenen Schadens ist ein wichtiger Bestandteil der kognitiven Bewertung eines negativen Ereignisses. Auch rechtlich ist das Auftreten und das Ausmaß eines Schadens von Belang. Während im Strafrecht bereits der Versuch einer rechtswidrigen Handlung bestraft werden kann, auch wenn dieser Versuch nicht zu einer Schädigung geführt hat (Wessels, 1994), ist im Zivilrecht das Vorhandensein eines Schadens Voraussetzung dafür, daß Schadensersatz und Schmerzensgeld zugesprochen werden. Die Höhe dieser Beträge richtet sich nach dem Ausmaß der entstandenen Schädigungen.

Rechtlich wirkt sich das Ausmaß des entstandenen Schadens nicht auf die Einschätzung der Verantwortlichkeit eines potentiellen Verursachers aus. Eine Person kann demnach nicht bei ungeklärter Entstehung eines Schadens dann eher haftbar gemacht werden, wenn die Verluste des Geschädigten gravierender sind. Walster (1966) fand jedoch, daß bei gravierenden Folgen eines Ereignisses das Bedürfnis steigt, jemanden dafür verantwortlich zu machen.

Personale Verursachung

Voraussetzung für die Zuschreibung von Verantwortung ist, daß der Schaden personal verursacht, das heißt durch menschliche Mitwirkung entstanden ist. Diese Determinante der Verantwortungszuschreibung findet ihre Entsprechung im deutschen Recht: Für höhere Gewalt kann im Regelfall niemand zur Haftung verpflichtet werden. Höhere Gewalt ist definiert als ein von außen her kommendes, unabwendbares Ereignis wie beispielsweise eine Flutkatastrophe, das niemand zu verantworten hat (vgl. Städtler, 1986). Es muß demnach zumindest im Bereich des Möglichen gelegen haben, den Schaden abzuwenden, um jemanden zur Verantwortung ziehen und zum Ersatz der Verluste verpflichten zu können.

Kontrolle

Der Akteur muß zudem Kontrolle über sein Handeln besessen haben. Er wird nur dann für verantwortlich erklärt, wenn er anders hätte handeln können. Rechtlich entspricht diese Determinante dem Grundsatz der Verschuldenshaftung: "Das Verschuldensprinzip drückt aus, daß stets für Vorsatz und Fahrlässigkeit ... gehaftet wird" (Deutsch, 1993, S. 3). In Ausnahmefällen kann eine Haftpflichtigkeit bestehen, ohne daß der Akteur die Möglichkeit gehabt hätte, den Schaden zu verhindern. So begründet sich die Gefährdungshaftung bereits in der Verfügung über eine potentielle Gefahrenquelle: Wer beispielsweise ein Tier hält, eine Eisenbahn betreibt oder Kernenergie erzeugt, muß alle Schäden ausgleichen, die auf diese Tätigkeit zurückzuführen sind, "auch wenn er sie durch alle Sorgfalt nicht zu vermeiden vermag" (Musielak, 1997, S. 362). Im Regelfall aber leitet sich eine Haftpflichtigkeit aus der Verschuldenshaftung ab, die auf einem Fehlverhalten des Akteurs beruht. Ob einem Akteur Fahrlässigkeit oder Vorsatz angelastet wird, hängt davon ab, ob er um die Riskantheit seiner Handlung gewußt hat.

Mangelndes Wissen

Die Zuschreibung von Verantwortung kann vermindert werden, wenn der Akteur mangelndes Wissen um die Gefährlichkeit seines Verhaltens besaß. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn der Verursacher des Schadens fahrlässig gehandelt hat. Er hat in diesem Fall nicht die erforderliche Sorgfalt walten lassen, war sich aber nicht im Klaren darüber, daß sein Verhalten einen Schaden hervorrufen könnte. Wer hingegen vorsätzlich handelt, weiß, daß er das Risiko einer Schädigung eingeht, und nimmt diese Gefahr in Kauf. Die Schuldformen Fahrlässigkeit und Vorsatz differenzieren demnach zwischen versehentlicher und bewußter Verursachung.

Zusätzlich gibt es bestimmte Regelungen, die den Irrtum schuldeinschränkend behandeln. Wer beispielsweise in der irrigen Annahme, er ziele auf einen Stein, einen Menschen anschießt, handelt nicht vorsätzlich, denn der Irrtum schließt Vorsatz aus; er haftet dennoch wegen Fahrlässigkeit. Grundsätzlich gilt im deutschen Recht der Satz error iuris nocet: Die Tatsache, daß sich ein Akteur nicht über die Rechtswidrigkeit seiner Handlung bewußt war, entbindet ihn nicht von der Verantwortung für die Konsequenzen. Eine andere Form mangelnden Wissens stellt die Unzurechnungsfähigkeit dar. Wer nicht zurechnungsfähig ist, beispielsweise aufgrund einer geistigen Behinderung, haftet nicht wegen Verschuldens; er kann aber dennoch aufgrund der sogenannten Billigkeitshaftung verpflichtet werden, zumindest einen Teil des Schadens zu ersetzen (vgl. Deutsch, 1993). Irrtum und Unzurechnungsfähigkeit sind jedoch sehr seltene Sonderfälle; im allgemeinen drückt sich mangelndes Wissen des Verursachers in fahrlässigem Verhalten und vorhandenes Wissen über die Konsequenzen der Handlung in vorsätzlichem Verhalten aus.

Moralisch gut vertretbare Beweggründe

Auch dann, wenn der Akteur moralisch gut vertretbare Beweggründe für sein Verhalten hatte, wenn er also im Dienste eines höheren Ziels handelte, mindert sich die ihm zugeschriebene Verantwortung. In der vorliegenden Arbeit wird unter den Beweggründen des Schädigers eine in dem Verursacher begründete Motivation verstanden, die keinen Bezug zu der Person des Geschädigten aufweist. Rechtlich sind die Motive, die der schädigenden Handlung zugrundeliegen, nicht relevant. Eine Ausnahme bilden akute Notstände, die aber klar umrissen sind und äußerst selten zum Tragen kommen (vgl. Musielak, 1997). Im Regelfall aber sind die Beweggründe des Schädigers bei der Beurteilung seiner Haftpflichtigkeit nicht von Bedeutung.

Überträgt man diese Elemente der kognitiven Bewertung darauf, wie juristische Laien einen Entschädigungsfall beurteilen, ergeben sich folgende Annahmen:

  1. Das Auftreten eines Schadens und das Ausmaß der Schädigung sollte die kognitive Bewertung eines negativen Ereignisses beeinflussen. Auch im deutschen Zivilrecht muß ein Schaden entstanden sein, um eine Person zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld zu verpflichten; die Höhe dieser Beträge bestimmt sich nach der Schwere der entstandenen Schädigung. Das Ausmaß des Schadens sollte sich jedoch rechtlich nicht auf die Zuschreibung von Verantwortung für die Entstehung des Schadens auswirken.
  2. Der Schaden muß personal verursacht sein, damit überhaupt eine Zuschreibung von Verantwortung erfolgt. Dieser Grundsatz entspricht den rechtlichen Regelungen.
  3. Der Verursacher muß Kontrolle über die Entstehung der Schädigung gehabt haben, damit ihm Verantwortung zugeschrieben wird. Auch dieser Zusammenhang findet eine Entsprechung im deutschen Gesetz.
  4. Mangelndes Wissen des Akteurs um die Gefährlichkeit der Handlung sollte zu einer verminderten Verantwortungszuschreibung führen. Diese Verbindung findet sich ebenso in der deutschen Rechtsprechung, die zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz unterscheidet, je nachdem, ob die Schädigung versehentlich oder bewußt herbeigeführt wurde.
  5. Ebenso sollte eine Person, die moralisch gut vertretbare Beweggründe für ihr Verhalten hatte, für weniger verantwortlich gehalten werden. Dieser Zusammenhang findet jedoch keine Parallele im deutschen Recht.

Diese Annahmen zur Verantwortungszuschreibung sind für die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien bereits teilweise empirisch belegt. So fanden Feigenson et al. (1997), daß die Kontrolle, die der Geschädigte selbst über die Entstehung seiner Verletzungen hatte, die Höhe der ihm zugeschriebenen Verantwortung beeinflußt (vgl. auch Greene et al., 1999; MacCoun, 1996). Hans und Ermann (1989) belegten die Relevanz des Wissens, indem sie nachwiesenen, daß Probanden einer Einzelperson weniger Verantwortung zuschreiben als einer Körperschaft, der sie unterstellen, um die Riskantheit ihres Verhaltens gewußt zu haben. Zudem zeigt ein Befund von Alicke (1992), daß die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe des Schädigers bei der Beurteilung seiner Verantwortlichkeit eine Rolle spielen. Er zeigte, daß Probanden einem Akteur weniger Verantwortung zuschrieben, wenn ein sozial erwünschtes Motiv als Anlaß seines Verhaltens angegeben wurde.

4.2 Emotionale Reaktionen

Ein Zusammenhang zwischen der kognitiven Bewertung eines Ereignisses und den korrespondierenden emotionalen Reaktionen kann aus einer Klasse von kognitiven Emotionstheorien, den sogenannten Appraisal-Theorien, abgeleitet werden. Die Zuschreibung von Verantwortung ist nach Ansicht vieler Appraisal-Theoretiker eine wichtige Determinante für die Entstehung und Differenzierung von Emotionen (vgl. Leventhal & Scherer, 1987; Nerb, in Druck; Weiner, 1982). Auch hier herrscht ein hohes Maß an Übereinstimmung darüber, welche kognitiven Determinanten Emotionen auslösen und zwischen ihnen differenzieren (vgl. Scherer, 1999, für einen Überblick). Als wichtige Elemente der kognitiven Bewertung eines negativen Ereignisses wurden die Einschätzung des entstandenen Schadens sowie die Zuschreibung von Verantwortung für die Entstehung dieses Schadens genannt.

Da das Auftreten eines Schadens als negativ bewertet und als motiv-inkonsistent empfunden wird, resultieren negative Emotionen. Diese Emotionen sind umso intensiver, je gravierender die Folgen eines Ereignisses eingeschätzt werden (Nerb, 2000; Nerb & Spada, 2000).

Die unterschiedliche Zuschreibung von Verantwortung differenziert zwischen der Qualität dieser Emotionen. So konnte Weiner (1980) zeigen, daß die Zuschreibung von erhöhter Verantwortung Ärger bewirkt; wird einer Person hingegen wenig Verantwortung zugeschrieben, resultiert Mitleid Dieser Zusammenhang hat sich in einer aktuellen Meta-Analyse über 56 Studien als robust erwiesen (Rudolph, Roesch, Greitemeyer & Weiner, 2000). Exemplarisch werden im folgenden einige empirische Befunde herausgegriffen. Weiner, Perry und Magnusson (1988) beispielsweise manipulierten die Kontrolle, die eine leidende Person über die Entstehung ihrer Krankheit hatte. So wurde den Probanden in einer Bedingung mitgeteilt, das Herzleiden der Person sei auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen (Kontrolle hoch); in einer anderen Bedingung wurde es durch einen genetischen Defekt erklärt (Kontrolle niedrig). In der Bedingung mit niedriger Kontrolle empfanden die Probanden signifikant mehr Mitleid mit der kranken Person und weniger Ärger über sie. Hatte der Kranke jedoch Kontrolle über die Entstehung seines Leidens, reagierten die Probanden mit weniger Mitleid und gesteigertem Ärger.

Ein korrespondierender Befund ergab sich in einer Studie, in der die Ursache für eine HIV-Infektion des Basketballspielers Magic Johnson variiert wurde (Graham, Weiner, Giuliano & Williams, 1993). Die Probanden schrieben dem Sportler die meiste Verantwortung zu, wenn seine Ansteckung durch Drogenkonsum mit einer verunreinigten Nadel erklärt wurde, er also Kontrolle über die Entstehung der Krankheit hatte. Sie empfanden in dieser Bedingung wenig Mitleid und vermehrt Ärger. Wurde den Probanden mitgeteilt, die Infektion sei auf eine Bluttransfusion während einer Knieoperation zurückzuführen und somit nicht durch den Sportler kontrollierbar gewesen, schrieben sie dem Basketballspieler wenig Verantwortung zu. Sie empfanden gesteigertes Mitleid mit ihm und weniger Ärger (vgl. auch Weiner, Graham & Chandler, 1982). Die Befunde von Bornstein (1998) belegen ebenfalls, daß die Zuschreibung vermehrter Verantwortung für einen entstandenen Schaden mit einer Ablehnung dem Verursacher gegenüber einhergeht, und auch Feigenson et al. (1997) zeigten, daß die Probanden mit Ärger auf eine vermehrte Mitschuld des Klägers reagierten.

4.3 Handlungsintentionen

Die unterschiedlichen emotionalen Reaktionen auf eine Person, der mehr oder weniger Verantwortung zugeschrieben wird, führen zu verschiedenen Handlungsintentionen. Während Mitleid mit einer Person zu der Absicht führt, ihr zu helfen, ruft Ärger über einen Akteur das Bedürfnis hervor, sich gegen ihn zu wenden (z.B. Rudolph et al., 2000; Weiner, 1980, 1995).

Weiner (1980, Experiment 3) lieferte einen Beleg für die Annahme einer Verbindung von Verantwortungszuschreibung, Mitleid und dem Bedürfnis zu helfen. Er legte seinen Probanden die Beschreibung einer Situation vor, in die sie sich hineinversetzen sollten: Als Fahrgast einer U-Bahn seien sie Zeugen, wie eine Person plötzlich stolpert und stürzt. In einer Bedingung wurde hinzugefügt, die Person halte einen schwarzen Stock und sei offensichtlich krank (Kontrolle niedrig); in einer anderen Bedingung wurde erwähnt, sie halte eine Schnapsflasche und sei offensichtlich betrunken (Kontrolle hoch). Die Probanden gaben an, wieviel Kontrolle die Person über die Ursache ihres Sturzes hatte, wieviel Mitleid und wieviel Ärger sie empfanden und wie hoch die Wahrscheinlichkeit wäre, daß sie in einer solchen Situation ihre Hilfe anböten. Es zeigte sich, daß die Probanden in der Bedingung mit hoher Kontrolle des Akteurs signifikant weniger Mitleid hatten, mehr Ärger empfanden und seltener bereit waren, ihm zu helfen. Besaß die Person wenig Kontrolle über die Ursache ihres Sturzes, verspürten die Probanden signifikant mehr Mitleid, weniger Ärger und eine höhere Bereitschaft, ihr zu Hilfe zu kommen. Der Zusammenhang von Verantwortungszuschreibung, Ärger und dem Bedürfnis, sich gegen den Schädiger zu wenden, ist ebenfalls empirisch nachgewiesen und konnte auch für die Bewertung von Umweltschadensfällen belegt werden (Nerb, 2000; Nerb & Spada, 2000; Nerb, Spada & Wahl, 1998).

Feigenson et al. (1997) waren die ersten, die diesen Ansatz im Kontext von rechtlicher Verantwortung und der Zumessung von Entschädigung durch juristische Laien untersucht haben. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, daß die Annahmen auch in diesem Bereich gültig sind. Sie zeigten, daß Probanden auf einen Kläger, der an dem ihm entstandenen Schaden eine Mitverantwortung trägt, mit Ärger reagieren und sein Schmerzensgeld doppelt reduzieren. Die Autoren variierten hier allerdings nur das Verhalten des Klägers, nicht das des Beklagten, so daß aus den Befunden nicht geschlossen werden kann, ob eine Manipulation der Verantwortung des Beklagten sich in der Entschädigungshöhe niedergeschlagen hätte. So könnte einem Beklagten, der wenig Kontrolle über die Verursachung des Schadens hatte und Mitleid hervorruft, geholfen werden, indem man das von ihm zu zahlende Schmerzensgeld möglichst gering hält. Ein Beklagter hingegen, der hohe Kontrolle über die Entstehung der Schädigung besaß und Ärger erregt, könnte gestraft werden, indem man ihn dazu verurteilt, ein hohes Schmerzensgeld zu bezahlen.

Hans und Ermann (1989) fanden, daß beklagte Körperschaften für verantwortlicher gehalten und mit höheren Entschädigungszahlungen belegt werden als Einzelpersonen. Leider wurden in diesem Experiment keine emotionalen Reaktionen erhoben, so daß die emotionale Vermittlung dieses Zusammenhangs nicht untersucht werden konnte. Im folgenden Abschnitt wird daher ein theoretisches Modell entwickelt, das die oben entwickelten Annahmen auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien überträgt.

4.4 Die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien

In diesem Abschnitt werden die Annahmen zur kognitiven Bewertung eines negativen Ereignisses, den korrespondierenden emotionalen Reaktionen sowie den resultierenden Handlungintentionen in einen theoretischen Rahmen der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien integriert. Aus diesen Rahmenvorstellungen ergeben sich die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit.

Die in Kapitel 3 beschriebenen Untersuchungen US-amerikanischer Jury-Entscheidungen haben gezeigt, daß juristische Laien bei der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld bisweilen anders entscheiden als rechtlich vorgeschrieben. Die Ursache für diese Abweichungen scheint in der Zuschreibung von Verantwortung und den damit korrespondierenden Emotionen begründet zu sein, wie die Arbeit von Feigenson et al. (1997) nahelegt. Es besteht jedoch ein Mangel an theoretischen Modellen, die die Prozesse der Entschädigungszumessung durch juristische Laien erklären können.

Psychologische Untersuchungen der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien auf der Basis des deutschen Rechtssystems fehlen bisher. Eine Ausnahme bilden die Arbeiten von Hommers und Endres (1989; Endres & Hommers, 1992), deren Bezug zum deutschen Recht jedoch "nur heuristischer Art" ist (Endres & Hommers, 1992, S. 402); entsprechend orientieren sich die in den Studien verwendeten Materialien nicht an den gesetzlichen Vorschriften und sind daher für eine Untersuchung der Entschädigungszumessung durch juristische Laien nach deutschem Recht ungeeignet.

Im deutschen Rechtssystem wird die Entschädigung von einem Berufsrichter bemessen; juristische Laien sind an diesen Entscheidungen nicht beteiligt. Die öffentlichen Reaktionen auf manche Gerichtsurteile (ein Beispiel ist das Medienecho auf den in der Einleitung dieser Arbeit geschilderten Schmerzensgeldfall) zeigen jedoch, daß bestimmte Entscheidungen von der Gesellschaft als ungerecht empfunden werden und lassen vermuten, daß juristische Laien bei der Zumessung der Entschädigung andere Kriterien anlegten, wäre ihnen die Aufgabe übertragen, die Höhe dieser Beträge zu bestimmen.

Hier sollen die in diesem Kapitel dargestellten Modellannahmen zur kognitiven Bewertung negativer Ereignisse sowie den daraus resultierenden emotionalen Reaktionen auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien übertragen werden.

Als grundlegende Elemente der kognitiven Bewertung eines negativen Ereignisses wurden die Einschätzung des entstandenen Schadens sowie die Zuschreibung von Verantwortung identifiziert. Die Determinanten der Verantwortungszuschreibung sind die Personale Verursachung und die Kontrolle, die der Akteur über sein Verhalten hatte. Hinzu kommt das Fehlen mildernder Umstände wie mangelndes Wissen um das Risiko der Handlung oder moralisch gut vertretbarer Beweggründe. Es wird erwartet, daß das Vorhandensein eines Schadens sowohl Ärger über den Verursacher als auch Mitleid mit ihm auslöst. Je mehr Verantwortung dem Akteur zugeschrieben wird, desto mehr Ärger und desto weniger Mitleid sollte resultieren. Ärger über den Akteur sollte zu der Tendenz führen, sich gegen ihn zu wenden, während Mitleid mit ihm eher das Bedürfnis wecken sollte, ihm zu helfen.

Schaden, personale Verursachung und Kontrolle

Wird ein Entschädigungsfall vor Gericht verhandelt, ist davon auszugehen, daß dem Kläger ein Schaden entstanden ist. Ebenfalls ist anzunehmen, daß es sich bei dem Beklagten um den potentiellen Schädiger handelt. Fraglich ist zu diesem Zeitpunkt noch, ob der Beklagte diesen Schaden zu verantworten hat. Im Regelfall kann vorausgesetzt werden, daß der Schaden nicht auf die Einwirkung höherer Gewalt zurückzuführen ist, daß also der Beklagte den Schaden personal verursacht hat. Auch kann in einem Entschädigungsfall davon ausgegangen werden, daß der Akteur Kontrolle über sein Handeln hatte, daß er also entweder fahrlässig oder schon vorsätzlich gehandelt hat.

Wissen: Schuldform

Eine weitere Determinante der Verantwortungszuschreibung ist das Wissen, das der Verursacher um das Risiko seiner Handlung hatte. Rechtlich drückt sich dieses Wissen in der Schuldform aus: Weiß der Akteur, daß sein Verhalten den entstandenen Schaden zur Folge haben könnte, handelt er vorsätzlich. Ist er sich einer möglichen Verursachung der Schädigung nicht bewußt, ist sein Verhalten nur fahrlässig. Es wird angenommen, daß juristische Laien bei einer fahrlässigen, also versehentlichen Schädigung mehr Mitleid mit dem Verursacher und weniger Ärger über ihn empfinden. Zudem wird erwartet, daß das Bedürfnis resultiert, dem Betreffenden zu helfen. Diese Hilfeleistung sollte sich darin ausdrücken, daß sie den Beklagten finanziell entlasten möchten, ihn also zu niedrigeren Entschädigungssummen verurteilen. Wurde der Schaden hingegen vorsätzlich verursacht, wird angenommen, daß juristische Laien verstärkt Ärger über den Akteur und weniger Mitleid mit ihm empfinden. Es wird erwartet, daß daraus das Bedürfnis entsteht, sich gegen den Beklagten zu wenden und ihn höhere Entschädigungssummen bezahlen zu lassen.

Auch juristisch ist die Schuldform des Akteurs ein Faktor, der sich auf die Bemessung der Entschädigung auswirkt. Allerdings schlägt sich ein vorsätzliches Verhalten des Schädigers lediglich in einer Erhöhung des Schmerzensgeldes nieder; der materielle Schadensersatz steigt nicht an. Zudem sollte die Anhebung des Schmerzensgeldes allein auf eine Steigerung des für die Genugtuung bestimmten Anteils zurückzuführen sein. Die als Ausgleich der Schäden ausgewiesene Summe sollte nicht durch die Schuldform des Schädigers beeinflußt sein.

In dieser Arbeit wird jedoch angenommen, daß juristische Laien ihren Wunsch, dem Verursacher des Schadens zu helfen oder sich gegen ihn zu wenden, in alle Komponenten der Entschädigung einfließen lassen. So sollten bei vorsätzlichem Handeln sowohl der Schadensersatz als auch beide Anteile des Schmerzensgeldes höher sein als bei fahrlässigem Verhalten des Schädigers.

Beweggründe

Ebenso wird angenommen, daß die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe, die den Akteur zu seinem schädigenden Verhalten bewogen, denselben Einfluß auf die emotionalen Reaktionen juristischer Laien haben und demnach denselben Einfluß auf die Zumessung der Entschädigungssummen aufweisen. Wie bereits erwähnt wird hier unter den Beweggründen des Schädigers eine in dem Verursacher begründete Motivation verstanden, die keinen Bezug zu der Person des Geschädigten aufweist. Moralisch gut vertretbare Beweggründe sollten also erhöhtes Mitleid, verminderten Ärger und reduzierte Schadensersatz- und Schmerzensgeldbeträge nach sich ziehen, während moralisch schlecht vertretbare Beweggründe zu vermehrtem Ärger, weniger Mitleid und erhöhten Entschädigungssummen führen sollten. Juristisch ist dieser vermutete Einfluß der Beweggründe auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld nicht gerechtfertigt.

Zusammenfassend ergeben sich die folgenden Annahmen:

  1. Die fahrlässige Verursachung eines Schadens sollte bei juristischen Laien zu erhöhtem Mitleid mit dem Schädiger und zu vermindertem Ärger über ihn führen und in niedrigen Schadensersatz- und Schmerzensgeldurteilen resultieren. Vorsätzliches Handeln des Verursachers sollte verstärkten Ärger über den Schädiger und vermindertes Mitleid mit ihm hervorrufen und eine Erhöhung sowohl des Schadensersatzes als auch des Schmerzensgeldes in Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion nach sich ziehen.
  2. Bei juristischen Laien sollten die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe des Akteurs so auswirken wie eine fahrlässige Verursachung des Schadens: So sollten moralisch gut vertretbare Beweggründe zu erhöhtem Mitleid mit dem Schädiger und zu vermindertem Ärger über ihn führen und in niedrigen Schadensersatz- und Schmerzensgeldurteilen resultieren. Moralisch schlecht vertretbare Beweggründe des Verursachers sollten verstärkten Ärger über den Schädiger und vermindertes Mitleid mit ihm hervorrufen und eine Erhöhung sowohl des Schadensersatzes als auch des Schmerzensgeldes in Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion nach sich ziehen.
  3.  

     

    Der Vergleich von Laien und Experten

    Die in diesem Kapitel entwickelten Annahmen zur Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien sollen empirisch überprüft werden. Außerdem sollen die Urteile von juristischen Laien denen von Rechtsexperten gegenübergestellt werden, um feststellen zu können, ob sich Unterschiede in der Höhe der gewährten Beträge zeigen. Damit wird zugleich getestet, ob Rechtsexperten bei der Bemessung der Entschädigung die Faktoren, die für die Zumessung des Schmerzensgeldes juristisch relevant sind, so in ihre Entscheidung einfließen lassen, wie es die herrschende Rechtsprechung vorschreibt. Zudem kann untersucht werden, ob Rechtsexperten auch juristisch irrelevante Faktoren bei der Zumessung der Entschädigung berücksichtigen. Hier wird vermutet, daß die Rechtsexperten bei der Bemessung der Beträge juristisch korrekt vorgehen.

    Zusammenfassend ergeben sich die folgenden Annahmen:

  4. Für die Rechtsexperten wird erwartet, daß vorsätzliches Handeln des Verursachers zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führt, die auf eine vermehrte Gewichtung der Genugtuungsfunktion zurückgeht.
  5. Die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe sollte bei den Rechtsexperten keinen Einfluß haben auf die Höhe des zugemessenen Schmerzensgeldes.

Diese Annahmen zur Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld bei juristischen Laien und Rechtsexperten sollen in zwei experimentellen Studien überprüft werden. Im nächsten Kapitel werden das methodische Vorgehen und die Materialien dieser Untersuchungen vorgestellt.

5. Methode

Dieses Kapitel beschreibt das experimentelle Vorgehen zur Überprüfung der in Abschnitt 4.4 aufgestellten Annahmen. Es wurden zwei Untersuchungen an jeweils zwei Stichproben durchgeführt. Beide Experimente beruhen auf denselben Basismaterialien und gleichen sich in Struktur und Ablauf, daher werden sie in diesem Kapitel gemeinsam dargestellt. Zunächst werden die untersuchten Stichproben beschrieben (Abschnitt 5.1), gefolgt von den Versuchsplänen der Studien (Abschnitt 5.2) und den in beiden Untersuchungen verwendeten Materialien (Abschnitt 5.3). Abschließend werden die empirisch erhobenen Variablen erläutert (Abschnitt 5.4) und der Ablauf der Experimente geschildert (Abschnitt 5.5).

5.1 Stichproben

Die in Abschnitt 4.4 aufgestellten Annahmen betreffen neben dem Einfluß rechtlich relevanter bzw. nicht relevanter Faktoren auch eventuelle Unterschiede in der Gewährung der Entschädigung bei vorhandener oder fehlender juristischer Vorbildung der bemessenden Person. Es wurden daher in den beiden Experimenten Stichproben aus zwei Populationen untersucht: Rechtsexperten (Expertenstichprobe) und juristische Laien (Laienstichprobe). Die Probanden aus beiden Stichproben wurden im Anschluß an eine von ihnen besuchte Lehrveranstaltung für die Teilnahme angeworben; als Dank erhielt jeder Proband eine Tafel Schokolade.

Expertenstichprobe. An den beiden Untersuchungen nahmen 203 Jurastudenten und -studentinnen (119 Frauen und 84 Männer) der Universität Freiburg im Alter von 20 bis 37 Jahren teil. Der Median lag bei 23 Jahren. Von der Teilnahme ausgeschlossen waren Studierende der ersten beiden Semester, da das für die Studie relevante Wissen erst im dritten Semester vermittelt wird.

Laienstichprobe. Die Laienstichprobe der beiden Untersuchungen bestand aus 210 Probanden (122 Studentinnen und 88 Studenten verschiedener Fakultäten der Universitäten Freiburg und München) im Alter von 19 bis 61 Jahren (Median 24 Jahre). Von der Teilnahme ausgeschlossen waren Studierende mit dem Haupt- oder Nebenfach Jura sowie VWL- oder BWL-Studierende, da in diesen Fächern auch juristische Anteile enthalten sind. Neben Psychologiestudierenden wurden auch Studierende des Faches Medizin nicht einbezogen, da sie mehr Vorwissen über die in den Materialien geschilderten Verletzungen besitzen könnten als die anderen Teilnehmer.

5.2 Versuchspläne

Die in Abschnitt 4.4 aufgestellten Annahmen beziehen sich sowohl auf den Einfluß von Faktoren, die für die Schmerzensgeldbemessung relevant sind, als auch auf den Einfluß rechtlich nicht relevanter Faktoren auf die Zumessung der Entschädigung. Im folgenden wird zunächst auf die Spezifikation beider Einflußfaktoren eingegangen, um anschließend die Designs der Untersuchungen zu beschreiben.

5.2.1 Untersuchte Einflußfaktoren

In der vorliegenden Untersuchung wurde die Wirkung der Faktoren Schuldform und Beweggründe auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld überprüft.

Juristisch relevanter Faktor: Schuldform

Ein Faktor, der sich auf die Bemessung des Schmerzensgeldes auswirken sollte, ist die Schuldform des Schädigers. Bei vorsätzlichem Verhalten sollte die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden und so zu einer Erhöhung des gewährten Betrages führen. Der Faktor Schuldform wurde mit den zwei Stufen einfache Fahrlässigkeit (Fahrlässigkeit) und bedingter Vorsatz (Vorsatz) realisiert; in einer dritten Bedingung wurde keine Information zu der Schuldform des Schädigers gegeben (keine Angaben).

Juristisch nicht relevanter Faktor: Beweggründe

Ein Faktor, der sich rechtlich nicht auf die Bemessung des Schmerzensgeldes auswirken sollte, ist die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe, die den Schädiger zu seinem Verhalten veranlaßten. Bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen des Schädigers sollte sich daher rechtlich der gewährte Betrag nicht von dem unterscheiden, der bei moralisch gut vertretbaren Beweggründen des Schädigers zugesprochen wird. Der Faktor Beweggründe wurde mit den zwei Stufen moralisch gut vertretbare Beweggründe (Beweggründe gut) und moralisch schlecht vertretbare Beweggründe (Beweggründe schlecht) realisiert; auch hier wurde in einer dritten Bedingung keine Information zu den Beweggründen des Schädigers gegeben (keine Angaben).

Beide Faktoren wurden in denselben zwei juristischen Fallgeschichten realisiert (Fallgeschichten 1 und 2); eine detaillierte Beschreibung der Materialien folgt in Abschnitt 5.3.

5.2.2 Designs der Experimente

Die vorliegende Untersuchung prüft den Einfluß eines rechtlich relevanten sowie eines rechtlich nicht relevanten Faktors auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld sowohl bei Laien als auch bei Rechtsexperten. Ausgehend von der vorangestellten Gliederung der zu beantwortenden Forschungsfragen gestaltet sich die Organisation der Experimente wie folgt (siehe Tabelle 5.1):

Tabelle 5.1: Organisation der Experimente I und II

Experiment I:

Manipulation des juristisch relevanten Faktors Schuldform

Experiment II:

Manipulation des juristisch nicht relevanten Faktors Beweggründe

Experiment Ia: Untersuchung von Rechtsexperten

Experiment IIa: Untersuchung von Rechtsexperten

Experiment Ib: Untersuchung von juristischen Laien

Experiment IIb: Untersuchung von juristischen Laien

Für die Experimente Ia und Ib ergeben sich demnach jeweils einfaktorielle Designs mit dem Faktor Schuldform (vgl. Tabellen 5.2 und 5.3); für Experiment II entsprechend zwei einfaktorielle Designs mit dem Faktor Beweggründe (vgl. Tabellen 5.4 und 5.5).

Tabelle 5.2: Überblick über die Versuchsbedingungen in Experiment Ia (Untersuchung von Rechtsexperten) mit Angabe der Stichprobengröße in den einzelnen Feldern

Schuldform

Fahrlässigkeit

keine Angaben

Vorsatz

Fallgeschichte 1

19

20

19

Fallgeschichte 2

20

20

21

S

39

40

40

 

Tabelle 5.3: Überblick über die Versuchsbedingungen in Experiment Ib (Untersuchung von juristischen Laien) mit Angabe der Stichprobengröße in den einzelnen Feldern

Schuldform

Fahrlässigkeit

keine Angaben

Vorsatz

Fallgeschichte 1

21

21

20

Fallgeschichte 2

20

21

22

S

41

42

42

 

 

Tabelle 5.4: Überblick über die Versuchsbedingungen in Experiment IIa (Untersuchung von Rechtsexperten) mit Angabe der Stichprobengröße in den einzelnen Feldern

Beweggründe

Beweggründe gut

keine Angaben

Beweggründe schlecht

Fallgeschichte 1

20

20

19

Fallgeschichte 2

21

20

23

S

41

40

42

 

 

Tabelle 5.5: Überblick über die Versuchsbedingungen in Experiment IIb (Untersuchung von juristischen Laien) mit Angabe der Stichprobengröße in den einzelnen Feldern

Beweggründe

Beweggründe gut

keine Angaben

Beweggründe schlecht

Fallgeschichte 1

21

21

21

Fallgeschichte 2

21

21

22

S

42

42

43

 

 

5.3 Materialien

In diesem Abschnitt werden die beiden Fallgeschichten vorgestellt, in denen die untersuchten Faktoren Schuldform und Beweggründe realisiert wurden. Beide Fallgeschichten wurden in allen Experimenten verwendet. Bei der Konstruktion mußten einige Anforderungen erfüllt werden, auf die im folgenden näher eingegangen wird.

5.3.1 Formale Gestaltung

Darstellung

Da die Fallgeschichten sowohl bei Rechtsexperten als auch bei juristischen Laien eingesetzt werden sollten, mußen sie formal so konzipiert sein, daß sie von Rechtsexperten als Rechtsfälle akzeptiert, von Laien aber dennoch ohne größeres Befremden verstanden werden. Unter Zuhilfenahme rechtswissenschaftlicher Lehrbücher mit Übungsfällen (Schneider, 1984; Westermann, 1999) wurde die in juristischen Darstellungen übliche Form und Ausdrucksweise übernommen; gleichzeitig wurde Wert darauf gelegt, daß die Beschreibung der Sachverhalte nicht zu abstrakt geriet.

Aufbau

Die beiden Fallgeschichten sollten sich inhaltlich unterscheiden, formal aber dieselbe Struktur aufweisen. Die Realisierung der Faktorstufen, d.h. die Zusatzinformationen zu der Schuldform und den Beweggründen des Schädigers, sollten sowohl strukturell als auch inhaltlich identisch sein. Dadurch sollte gewährleistet werden, daß eventuelle Unterschiede in der Beurteilung der Fallgeschichten nicht auf eine verschiedene Wirksamkeit der inhaltlichen Realisierung der Manipulationen zurückzuführen wären.

5.3.2 Inhaltliche Gestaltung

Schädigende Handlung

Die beschriebene schädigende Handlung mußte so konzipiert sein, daß sie sowohl fahrlässig als auch bedingt vorsätzlich vollzogen werden kann (Manipulation in Experiment I); außerdem mußte sie durch moralisch gut bzw. schlecht vertretbare Beweggründe zu erklären sein (Manipulation in Experiment II). Es wurde in Fallgeschichte 1 (Baugrube) das Unterlassen der Wiederanbringung einer Sicherheitsabsperrung und in Fallgeschichte 2 (Handwerker) die Verwendung ungeeigneter Dübel bei der Anbringung eines Hängeregals gewählt.

Manipulation der Schuldform

In beiden Fallgeschichten wurde in der Fahrlässigkeitsbedingung die Zusatzinformation gegeben, der Schädiger habe nicht bemerkt, die schädigende Handlung vollzogen zu haben: In der Vorsatzbedingung wurde mitgeteilt, er habe sich sehr beeilt und deshalb den Schaden verursacht; die Gefahr, daß dieser Schaden eintreten könne, sei ihm bewußt, in jenem Moment aber gleichgültig gewesen. Diese Formulierung entspricht der Formel des bedingten Vorsatzes. In einer Voruntersuchung mit 67 Jurastudenten stellte sich die Beschreibung von bewußter Fahrlässigkeit (siehe Abschnitt 2.1.3) als zu schwach heraus, um sich im Ergebnis von der einfachen Fahrlässigkeit abzusetzen; deshalb wurde in der Hauptstudie die bedingte Vorsatz gewählt.

Manipulation der Beweggründe

Bei der Manipulation der Beweggründe des Schädigers war von besonderer Wichtigkeit, daß sich keine juristischen Konsequenzen aus ihnen ableiten ließen. In der Bedingung mit moralisch gut vertretbaren Beweggründen wurde in beiden Fallgeschichten angegeben, der Schädiger habe sich sehr beeilt, da ihn auf dem Handy ein Anruf seiner Frau erreicht habe, die ihn bat, möglichst bald bei seiner chronisch kranken Schwiegermutter vorbeizufahren, der es schlechter ging. Hier wurde bewußt die chronische einer akuten Erkrankung vorgezogen, um nicht den Eindruck eines Notfalls zu erwecken, der unter Umständen einen Einfluß auf die rechtliche Würdigung des Falles haben könnte. Die Bedingung mit moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen wurde in beiden Fallgeschichten durch die Zusatzinformation realisiert, der Schädiger habe sich sehr beeilt, da er auf dem Handy den Anruf eines Kollegen erhalten habe, der ihn gebeten habe, rechtzeitig zum Stammtisch zu kommen. Auch diese Information sollte sich rechtlich nicht auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirken.

Beide Manipulationen mußten sich in beiden Fallgeschichten plausibel in den Kontext fügen, ohne die Glaubwürdigkeit der Fallgeschichte herabzusetzen.

Materieller Schaden

Der entstandene materielle Schaden sollte sich in überschaubaren Grenzen halten und mußte als fixer Betrag benennbar sein. In diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich erwähnt, daß dem Geschädigten keine Verdienstausfälle entstanden seien, um zu vermeiden, daß ein Teil der Probanden diesbezügliche Überlegungen und Berechnungen anstellen und in die gewährte Entschädigung einfließen lassen könnte. Die Höhe des Schadens wurde über die beiden Geschichten konstant gehalten, um einen unterschiedlichen Einfluß dieser Variable auf die Zumessung der Entschädigungssummen auszuschließen. Der materielle Schaden wurde in beiden Fallgeschichten auf DM 850 beziffert.

Immaterieller Schaden

Bei dem entstandenen körperlichen Schaden sollte es sich um Verletzungen handeln, die in vergleichbarer Schwere in verschiedenen Gerichtsentscheidungen bereits unterschiedlich hohe Schmerzensgeldbeträge erbracht haben, um eine realistische Spannbreite der üblichen Bemessung vorgeben zu können. Zudem sollten die Verletzungen in beiden Fallgeschichten gleich gravierend sein. Um diese Kriterien zu erfüllen, wurden aus den Schmerzensgeldtabellen des ADAC-Verlags (Hacks et al., 1995) Beschreibungen von körperlichen Schäden und den gewährten Schmerzensgeldern herausgesucht. Von Bedeutung war hier, daß die Verletzungen keinen Krankenhausaufenthalt nach sich zogen, da eine stationäre Aufnahme Verdienstausfälle des Geschädigten bedeutet hätte.

Vermögensverhältnisse

Da die Vermögensverhältnisse des Schädigers in Ausnahmefällen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Rolle spielen können, wurde in den Fallgeschichten ausdrücklich erwähnt, der Schädiger verfüge über ein "durchschnittliches Einkommen". Auch eine bestehende Haftpflichtversicherung fällt unter dieses Kriterium, "da sie ein durch Prämien erkauftes Stück Vermögen ist und die wirtschaftliche Lage des Täters im besseren Licht erscheinen läßt" (Deutsch, 1993, S. 234). So wurde explizit angegeben, der Schädiger besitze keine Haftpflichtversicherung.

Auch das ausdrückliche Vorhandensein eines Versicherungsschutzes hätte die Vermögensverhältnisse konstant gehalten; hier wurde die Information, der Schädiger besitze keine Versicherung, vorgezogen, da das ausdrückliche Bestehen einer Haftpflichtversicherung von den Probanden unterschiedlich bewertet werden und den Blick von der Person des Schädigers ablenken könnte. Die Probanden könnten davon ausgehen, das zu zahlende Schmerzensgeld treffe nicht den Schädiger selbst, da die Versicherung für den kompletten Schaden aufkomme. Durch das explizite Verneinen des Versicherungsschutzes wird vermieden, daß eine Versicherung von manchen Probanden in die Bemessung der Entschädigung einbezogen wird, von anderen hingegen nicht. So kamen alle durch einen Autofahrer verursachten Unfälle nicht in Betracht, da Kraftfahrzeugführer verpflichtet sind, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.

 

Mitschuld des Geschädigten

Eine Mitschuld des Geschädigten führt rechtlich zu einer Reduktion sowohl des Schadensersatzes als auch des Schmerzensgeldes. Um diesen Einfluß auf die Entschädigungssummen auszuschließen, wurden die Fallgeschichten so formuliert, daß eine Mitverursachung des Schadens durch den Geschädigten nicht in Betracht kam.

Die Materialien sind mit den Manipulationen beider Faktoren in Tabelle 5.6 (Fallgeschichte 1) bzw. Tabelle 5.7 (Fallgeschichte 2) dargestellt.

 

Tabelle 5.6: Fallgeschichte 1 (Baugrube)

Dem Schreiner S wird nachts ein Lieferschein von einer Windboe in eine kleine Baugrube geweht. S stellt die Schutzgitter zur Seite, holt den Schein aus der Grube und verläßt die Baustelle. Kurz darauf fällt der 31-jährige Fußgänger F in die Grube. Er bricht sich zwei Zehen am linken Fuß und zieht sich Schürfwunden an beiden Händen sowie Prellungen am linken Oberschenkel zu. Der Mantel des F, seine Uhr und der portable CD-Spieler, den er in der Tasche trägt, werden zerstört. F muß 10 Tage lang einen Gips tragen und insgesamt dreimal zum Arzt, um seine Verletzungen behandeln zu lassen. Verdienstausfälle entstehen ihm nicht.

S hatte die Schutzgitter nicht zurückgestellt, so daß die Baugrube nicht mehr gesichert und in der Dunkelheit kaum zu sehen war.

Manipulation der Schuldform (Exp. I):

Fahrlässigkeit: Er hatte sich sehr beeilt und nicht bemerkt, daß er vergessen hatte, die Gitter zurückzustellen.

Vorsatz: Er hatte sich sehr beeilt und deshalb die Gitter nicht zurückgestellt; die Gefahr, daß jemand die Grube übersehen und hineinfallen könnte, war ihm bewußt, es war ihm in dem Moment aber gleichgültig.

Manipulation der Beweggründe (Exp. II):

Beweggründe gut: Er hatte sich sehr beeilt, weil ihn auf dem Handy ein Anruf seiner Frau erreichte, die ihn bat, möglichst bald bei seiner chronisch kranken Schwiegermutter vorbeizufahren, der es schlechter ging.

Beweggründe schlecht: Er hatte sich sehr beeilt, weil ihn auf dem Handy der Anruf eines Kollegen erreichte, der ihn drängte, rechtzeitig zum Stammtisch zu kommen.

S ist selbständig, verfügt über ein durchschnittliches Einkommen und ist gegen Schäden dieser Art nicht versichert.

 

 

Tabelle 5.7: Fallgeschichte 2 (Handwerker)

Die 32-jährige ledige Angestellte A beauftragt den Handwerker H, ihre Wohnung zu streichen. Dazu montiert H in der Küche die Hängeregale der A von der Wand ab und hängt sie nach dem Streichen wieder auf. A räumt den Inhalt der Regale wieder ein. Am darauffolgenden Tag stürzt das Regal von der Wand. Eine Vase fällt der A auf den Kopf, Gläser und Geschirr fallen zu Boden und zerbrechen. Eine Glasscherbe wird von dem stürzenden Regal der A durch die Hose in den Oberschenkel gedrückt. A läßt sich von einem Taxi ins Krankenhaus fahren, wo die Schnittwunde am Oberschenkel mit fünf Stichen genäht wird; sie wird eine ca. 5 cm lange Narbe zurückbehalten. Zusätzlich hat A Prellungen an beiden Unterarmen und noch drei Tage lang leichte Kopfschmerzen. Sie muß insgesamt dreimal zum Arzt, um ihre Verletzungen behandeln zu lassen. Verdienstausfälle entstehen ihr nicht.

H hatte bei der Anbringung der Regale zu kleine Dübel benutzt, so daß das Regal nicht fest genug in der Wand verankert war und herunterfallen konnte.

Manipulation der Schuldform (Exp. I):

Fahrlässigkeit: Er hatte sich mit der Anbringung des Regals sehr beeilt und nicht bemerkt, die falschen Dübel eingesetzt zu haben.

Vorsatz: Er hatte sich mit der Anbringung des Regals sehr beeilt und die falschen Dübel eingesetzt, weil er die richtigen im Büro vergessen hatte; die Gefahr, daß das Regal herunterfallen könnte, war ihm bewußt, es war ihm in dem Moment aber gleichgültig.

Manipulation der Beweggründe (Exp. II):

Beweggründe gut: Er hatte sich mit der Anbringung des Regals sehr beeilt, weil ihn auf dem Handy ein Anruf seiner Frau erreichte, die ihn bat, möglichst bald bei seiner chronisch kranken Schwiegermutter vorbeizufahren, der es schlechter ging.

Beweggründe schlecht: Er hatte sich mit der Anbringung des Regals sehr beeilt, weil ihn auf dem Handy der Anruf eines Kollegen erreichte, der ihn drängte, rechtzeitig zum Stammtisch zu kommen.

H ist selbständig, verfügt über ein durchschnittliches Einkommen und ist gegen Schäden dieser Art nicht versichert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5.4 Empirisch erhobene Variablen

An die jeweilige Fallgeschichte schloß sich ein Fragebogen an, der in drei Teile gegliedert war: (a) Im ersten Teil wurde erhoben, wieviel Schadensersatz und Schmerzensgeld die geschädigte Person erhalten solle; (b) im zweiten Teil sollten die prozentualen Anteile von Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion am Schmerzensgeld bestimmt werden und (c) im letzten Teil des Bogens wurde erfragt, wie die Probanden die gelesene Fallgeschichte kognitiv und emotional bewerteten. In allen Experimenten wurde derselbe Fragebogen verwendet.

Allgemeine Angaben

Auf dem Deckblatt des Fragebogens wurden die Probanden gebeten, Geschlecht und Alter sowie Studienfach und Semesterzahl anzugeben.

Schadensersatz und Schmerzensgeld

Da der Fragebogen auch für juristische Laien sinnvoll beantwortbar sein sollte, wurde der erste Teil eingeleitet durch eine kurze Information zu den verschiedenen Zielen der Entschädigungskomponenten.

Bevor die Probanden gebeten wurden, den ihnen angemessen erscheinenden Schadensersatz anzugeben, wurde der entstandene finanzielle Schaden auf DM 850 beziffert. Der Frage, wieviel Schmerzensgeld dem Geschädigten zustehe, ging die Information voraus, in vergleichbaren Fällen seien Schmerzensgelder zwischen DM 2500 und DM 7500 zugesprochen worden. Bei den angegebenen Richtwerten handelte es sich um realistische Summen, die in Gerichtsentscheidungen bereits für vergleichbare Verletzungen gewährt wurden (vgl. Hacks,Ring & Böhm, 1995). Für den Wortlaut dieses ersten Teils des Fragebogens siehe Kasten 5.1.

 

 

 

 

 

Kasten 5.1: Erster Teil des Fragebogens: Schadensersatz und Schmerzensgeld

Bitte denken Sie kurz darüber nach, wieviel Schadensersatz und wieviel Schmerzensgeld der Geschädigte Ihres Erachtens bekommen sollte.

Der Schadensersatz soll die finanziellen Verluste des Geschädigten kompensieren.

Das Schmerzensgeld kann zwei Funktionen haben:

Es kann dem Geschädigten

  1. eine Entschädigung für die erlittenen Schmerzen, Entstellungen und Unannehmlichkeiten bieten und
  2. eine Genugtuung gegenüber dem Schädiger verschaffen.

(1) Schadensersatz

Dem Geschädigten ist ein finanzieller Schaden von DM 850 entstanden.

Wieviel Schadensersatz sollte er Ihrer Meinung nach bekommen?

DM _____________

 

(2) Schmerzensgeld

In vergleichbaren Fällen wurden Schmerzensgelder zwischen DM 2500 und

DM 7500 zugesprochen.

An diesen Richtwerten können Sie sich orientieren; sollten Sie einen höheren oder niedrigeren Betrag für angemessen halten, können Sie auch diesen wählen.

Wieviel Schmerzensgeld sollte der Geschädigte Ihrer Meinung nach bekommen?

DM _____________

 

 

Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion

Im zweiten Teil des Fragebogens sollten die Probanden spezifizieren, welcher Anteil des von ihnen gewährten Schmerzensgeldes eine Entschädigung für die erlittenen Verletzungen darstellen sollte (Ausgleichsfunktion) und welcher Anteil dafür bestimmt war, der geschädigten Person Genugtuung dem Schädiger gegenüber zu verschaffen (Genugtuungsfunktion).

Es wurden hier die prozentualen Anteile der beiden Funktionen an dem Gesamtbetrag des Schmerzensgeldes erfragt, da es der gerichtlichen Bemessungspraxis zuwiderliefe, getrennte Beträge für Ausgleich und Genugtuung zu bestimmen. Durch die Erhebung zweier separater Summen hätte sich die Untersuchung von der realen Entscheidungssituation entfernt; außerdem hätte die Gefahr bestanden, daß sich die Rechtsexperten weigern, die Trennung der Beträge zu vollziehen, da ihnen die diesbezüglichen Regelungen bekannt sein sollten. Diese Erhebungsmethode hat den Nachteil, daß auch in der späteren Auswertung nicht mit zwei voneinander unabhängigen Beträgen gerechnet werden kann. Es wird nur möglich sein, zu prüfen, ob eine Erhöhung des gewährten Schmerzensgeldes einhergeht mit einem Anstieg des für die Genugtuung bestimmten Anteils. Andererseits spiegelt diese methodische Schwierigkeit eine Schwachstelle der gerichtlichen Praxis der Zumessung des Schmerzensgeldes wider, da auch in realen Prozessen die jeweiligen Anteile der beiden Funktionen nur zu erahnen sind (siehe Abschnitt 2.3). Der zweite Teil des Fragebogens ist in Kasten 5.2 dargestellt.

Kasten 5.2: Zweiter Teil des Fragebogens: Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion

Zum gewährten Schmerzensgeld

Bitte geben Sie jetzt an, wie stark Sie die beiden Funktionen, die das Schmerzensgeld erfüllen kann, in Ihrer Entscheidung gewichtet haben. Bitte nennen Sie den jeweiligen Prozentsatz des Schmerzensgeldes, der sich auf jede dieser beiden Funktionen bezieht. Zusammen sollen sich die Anteile beider Funktionen zu 100% aufaddieren.

(3) Anteil Ausgleich

Welcher Anteil des von Ihnen gewährten Schmerzensgeldes soll den Geschädigten für seine Schmerzen, Entstellungen und Unannehmlichkeiten entschädigen?

______%

(4) Anteil Genugtuung

Welcher Anteil des von Ihnen gewährten Schmerzensgeldes soll dem Geschädigten Genugtuung gegenüber dem Schädiger verschaffen?

______%

 

 

Kognitive und emotionale Bewertung

Im dritten Teil des Fragebogens wurde erhoben, wie die Probanden die Fallgeschichte kognitiv und emotional bewerteten. Die Fragen 5 und 6 verlangten die Selbsteinstufung des empfundenen Ärgers und des verspürten Mitleids nach dem Lesen der Fallgeschichte. Die Fragen 7 bis 9 erhoben die kognitive Einschätzung des berichteten Falles; hier wurden die vermutete Schuldform und die Beweggründe des Schädigers sowie die wahrgenommene Schwere der Verletzungen der geschädigten Person erfragt. Tabelle 5.8 gibt den Wortlaut dieses dritten Teils des Fragebogens wieder.

 

Tabelle 5.8: Dritter Teil des Fragebogens: Kognitive und emotionale Bewertung

Variable

Wortlaut und Skalenendpunkte

Bitte geben Sie Ihre Einschätzungen zu den folgenden Fragen an:

(5) Ärger

Wieviel Ärger empfinden Sie über den Verursacher des Unfalls?

Ich empfinde überhaupt keinen Ärger über den Verursacher (1) /

Ich empfinde sehr viel Ärger über den Verursacher (9)

(6) Mitleid

Wieviel Mitleid empfinden Sie mit dem Verursacher des Unfalls?

Ich empfinde überhaupt kein Mitleid mit dem Verursacher (1) /

Ich empfinde sehr viel Mitleid mit dem Verursacher (9)

(7) Schuldform

Wie hoch ist der Grad des Verschuldens des Unfallverursachers?

Ich meine, der Verursacher hat nur leicht fahrlässig gehandelt (1) /

Ich meine, der Verursacher hat schon vorsätzlich gehandelt (9)

(8) Beweggründe

Wie beurteilen Sie die Beweggründe, die den Unfallverursacher zu seinem Handeln bewogen?

Ich meine, der Verursacher hatte moralisch gut vertretbare Beweggründe (1) /

Ich meine, der Verursacher hatte moralisch schlecht vertretbare Beweggründe (9)

(9) Verletzungen

Wie gravierend sind die Schmerzen, Unannehmlichkeiten und Entstellungen, die der Geschädigte davonträgt?

Ich meine, sie sind sehr leicht (1) / Ich meine, sie sind sehr gravierend (9)

5.5 Ablauf der Untersuchungen

Organisation

Die Untersuchung sollte im Anschluß an eine von den Teilnehmern besuchte Lehrveranstaltung stattfinden. Aus den Vorlesungsverzeichnissen der Universitäten Freiburg und München wurden entsprechende Veranstaltungen herausgesucht und die jeweiligen Dozenten kontaktiert. Auf Wunsch wurde ein Termin vereinbart, an dem die Versuchsleiterin den Lehrenden persönlich über den Hintergrund der Untersuchung informierte; ansonsten verlief dieses Vorgespräch telefonisch. Erklärte sich der Dozent bereit, die Studie zu unterstützen, wurde er gebeten, seine Veranstaltung 10 Minuten vor der regulären Zeit zu beenden, die Versuchsleiterin vorzustellen und die Hörenden zu bitten, an der Untersuchung teilzunehmen. Mit zwei Helfern fand sich die Versuchsleiterin dann 15 Minuten vor dem regulären Ende der Veranstaltung in dem jeweiligen Hörsaal ein.

Versuchsablauf

Die Untersuchungen fanden in den letzten zwei Wochen des Wintersemesters 1999/2000 in verschiedenen Hörsälen der Universitäten Freiburg und München statt. Im Anschluß an eine Lehrveranstaltung stellte der jeweilige Dozent den Hörenden die Versuchsleiterin vor und erteilte ihr das Wort. Während einer kurzen Einführung durch die Versuchsleiterin (siehe Anhang) verteilten zwei Helfer die Fragebögen. Jedem Probanden wurde eine Fallgeschichte mit dem dazugehörigen Fragebogen ausgehändigt; nach der Instruktion lasen alle Teilnehmer die Fallgeschichte und beantworteten anschließend die Fragen. Alle Probanden wurden zufällig auf die drei experimentellen Bedingungen der jeweiligen Untersuchung verteilt. Der Fragebogen und damit die Erfassung der abhängigen Variablen war in beiden Experimenten in allen drei Bedingungen identisch (siehe Kasten 5.1 und 5.2 sowie Tabelle 5.8). Die Untersuchung dauerte etwa 15 Minuten.

Im Anschluß an die Termine bestand regelmäßig nicht die Möglichkeit, die Probanden über den Hintergrund der Studie zu informieren. Daher wurde ihnen zusammen mit der Belohnung ein Zettel mit einer Telefonnummer ausgehändigt, unter der sie bei Bedarf Erkundigungen über das Experiment einholen konnten.

6. Experimentelle Studien

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der beschriebenen Untersuchungen dargestellt. Experiment I (Abschnitt 6.1) testet den Einfluß eines rechtlich relevanten Faktors auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Experiment II (Abschnitt 6.2) prüft, wie sich ein rechtlich nicht relevanter Faktor auf die Bemessung der Gelder auswirkt. In beiden Experimenten wurde das Signifikanzniveau auf p < .05 festgesetzt.

6.1. Experiment I (Manipulation der Schuldform des Schädigers)

In Experiment I wurde der Einfluß eines für die Schmerzensgeldzumessung juristisch relevanten Faktors untersucht. Überprüft wurde der Effekt der Manipulation der Schuldform eines Unfallverursachers auf die Bemessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Variable Schuldform wurde in drei Stufen zwischen den Probanden variiert.

Das Untersuchungsmaterial bestand aus den in den Tabellen 5.6 und 5.7 dargestellten Fallgeschichten. Durch die Zusatzinformationen zu der Schuldform des Unfallverursachers wurden drei Varianten jeder Geschichte generiert. Die abhängigen Variablen wurden mit den in Kasten 5.1 und 5.2 sowie Tabelle 5.8 dargestellten Fragebögen erhoben.

Fallgeschichte 1 (Baugrube), in der ein Passant die Absperrung einer Baugrube entfernt und so den Sturz eines anderen Fußgängers verschuldet, wurde ergänzt durch folgende Einschübe: (a) "Er hatte sich sehr beeilt und nicht bemerkt, daß er vergessen hatte, die Gitter zurückzustellen." (Fahrlässigkeit) und (b) "Er hatte sich sehr beeilt und deshalb die Gitter nicht zurückgestellt; die Gefahr, daß jemand die Grube übersehen und hineinfallen könnte, war ihm bewußt, es war ihm in dem Moment aber gleichgültig." (Vorsatz). In der dritten Bedingung wurde keine Information über die Schuldform des Verursachers gegeben (keine Angaben).

Fallgeschichte 2 (Handwerker), in der eine Person durch ein von einem Handwerker fehlerhaft montiertes Regal verletzt wird, wurde durch folgende Zusatzinformationen erweitert: (a) "Er hatte sich mit der Anbringung des Regals sehr beeilt und nicht bemerkt, die falschen Dübel eingesetzt zu haben." (Fahrlässigkeit) und (b) "Er hatte sich mit der Anbringung des Regals sehr beeilt und die falschen Dübel eingesetzt, weil er die richtigen im Büro vergessen hatte; die Gefahr, daß das Regal herunterfallen könnte, war ihm bewußt, es war ihm in dem Moment aber gleichgültig." (Vorsatz). Auch hier wurde in einer dritten Bedingung keine Information über die Schuldform gegeben (keine Angaben).

6.1.1 Experiment Ia: Untersuchung von Rechtsexperten

In Experiment Ia wurde untersucht, wie sich die Manipulation eines juristisch relevanten Faktors, der Schuldform, auf die Zumessung des Schmerzensgeldes bei Rechtsexperten auswirkt.

Hypothesen

Rechtlich ist die Schuldform des Unfallverursachers ein Faktor, der sich auf auf das Schmerzensgeld auswirken sollte, den Schadensersatz aber nicht beeinflußt. Bei vorsätzlicher Schädigung sollte das Schmerzensgeld höher sein als bei fahrlässigem Verhalten des Verursachers. Der Anstieg des gewährten Schmerzensgeldes sollte auf eine Anhebung des für die Genugtuung bestimmten Anteils zurückzuführen sein, nicht auf eine Veränderung desjenigen Anteils, der einen Ausgleich für die Verletzung und die erlittenen Schmerzen darstellt. Daher sollte bei einer Erhöhung des Schmerzensgeldes der prozentuale Anteil der Genugtuungsfunktion steigen. Es wird erwartet, daß sich die Rechtsexperten bei der Zumessung der Beträge an diesen ihnen bekannten Regelungen orientieren. Die Hypothesen sind im einzelnen:

  1. Das angegebene Schmerzensgeld ist in der Vorsatzbedingung im Mittel höher als in der Fahrlässigkeitsbedingung.
  2. Ein Anstieg des gewährten Schmerzensgeldes geht einher mit einem Anstieg des prozentualen Anteils der Genugtuungsfunktion.

Stichprobe

An der Untersuchung nahmen 120 Personen (50 Frauen und 70 Männer) der in Abschnitt 5.1 beschriebenen Expertenstichprobe im Alter von 20 bis 37 Jahren teil. Der Median lag bei 23,5 Jahren.

 

 

Ergebnisse

Probanden, die in Frage 1 einen Schadensersatz gewährten, der über oder unter 850 DM lag, gingen nicht in die Auswertung ein, da nach deutschem Recht der entstandene Schaden vollständig ersetzt werden muß (vgl. Abschnitt 2.1.1). Ebenfalls von der Auswertung ausgeschlossen wurden Personen, die in den Fragen 3 und 4 Prozentwerte nannten, deren Summe nicht 100 ergab. Insgesamt wurden die Daten von 8 Personen nicht in die Auswertung aufgenommen.

Allgemeine Befunde

Eine über alle experimentellen Bedingungen aggregierte Analyse erbrachte keine signifikanten Geschlechtsunterschiede. In einer explorativen Datenanalyse waren zwischen den Fallgeschichten keine Unterschiede in den relevanten Variablen erkennbar; die beiden Fallgeschichten wurden daher zusammengefaßt ausgewertet.

Effekte der experimentellen Manipulation

Für alle abhängigen Variablen wurden einfaktorielle Varianzanalysen mit a-priori-Kontrasten ([ -1 0 1] ) mit dem Faktor Schuldform gerechnet. Die Gewichte entsprachen den Faktorstufen Fahrlässigkeit (-1), keine Angaben (0) und Vorsatz (1). Tabelle 6.1 zeigt für alle durchgeführten Analysen die empirischen Mittelwerte und Standardabweichungen sowie die inferenzstatistischen Kenngrößen.

Es ergab sich ein signifikanter Effekt bei der abhängigen Variable Schuldform in der erwarteten Richtung. Zusätzlich zeigte sich allerdings eine signifikante Abweichung vom getesteten linearen Trend, die daraus resultiert, daß der Mittelwert in der Bedingung, in der keine Angaben zur Schuldfom des Schädigers gemacht wurden (M = 3.88), niedriger war als in der Fahrlässigkeitsbedingung. Dieser Befund deutet darauf hin, daß ohne genauere Information zum Hergang der Schädigung zugunsten des Verursachers von Fahrlässigkeit ausgegangen wird. Da sich die Mittelwerte der Bedingungen Fahrlässigkeit und Vorsatz (M = 4.33 bzw. 6.55) deutlich unterscheiden, kann die experimentelle Manipulation dennoch als gelungen betrachtet werden. Auch die Beurteilung der Beweggründe änderte sich signifikant über die Bedingungen; einem als fahrlässig eingeschätzten Schädiger werden im Mittel moralisch besser vertretbare Beweggründe zugeschrieben als einem vorsätzlich handelnden. Die Schwere der Verletzungen wurde über alle drei Bedingungen als gleich hoch eingeschätzt. Diese Ergebnisse sind in Abbildung 6.1 dargestellt.

 

 

 

 

 

 

Das gewährte Schmerzensgeld war wie erwartet in der Bedingung Vorsatz (M = 4638) signifikant höher als in der Fahrlässigkeitsbedingung (M = 3545). Dieser Befund entspricht den rechtlichen Regelungen. Der prozentuale Anteil des Schmerzensgeldes, der für die Genugtuung bestimmt war, änderte sich jedoch nicht signifikant über die Bedingungen. Die Erhöhung des Schmerzensgeldes bei vorsätzlichem Handeln kann also nicht allein auf eine Anhebung des Genugtuungsanteils zurückgeführt werden; auch das für den Ausgleich der Verletzungen gewährte Geld stieg an. Dieses Ergebnis korrespondiert nicht mit den rechtlichen Vorschriften, da der für den Ausgleich der Schäden bestimmte Anteil nur von der Schwere der Verletzungen beeinflußt sein sollte, nicht von der Schuldform des Verursachers.

Der Mittelwert der Variable Ärger war bei Vorsatz mit 6.50 signifikant höher als bei Fahrlässigkeit (M = 4.75); die Mitleidswerte änderten sich nicht signifikant über die Bedingungen. Die Ergebnisse für die Variablen Schmerzensgeld, Anteil Genugtuung, Ärger und Mitleid zeigt Abbildung 6.2

 

 

 

 

 

Tabelle 6.1: Ergebnisse der Experten in Experiment I (Manipulation der Schuldform)

Schuldform

Fahrlässigkeit (n = 40)

keine Angaben (n = 40)

Vorsatz (n = 40)

M (SD)

M (SD)

M (SD)

F-Werta

p<

(2) Schmerzensgeld

3545 (1644)

3869 (1539)

4638 (1951)

2.84b

.01

(3) Anteil Ausgleich

85.38 (10.78)

85.78 (13.18)

83.10 (15.71)

< 1

n.s.

(4) Anteil Genugtuung

14.62 (10.78)

14.22 (13.18)

16.90 (15.71)

< 1

n.s.

(5) Ärger

4.75 (2.50)

4.55 (2.10)

6.50 (2.18)

11.92c

.002

(6) Mitleid

3.05 (1.89)

3.40 (2.20)

3.45 (2.19)

< 1

n.s.

(7) Schuldform

4.33 (1.76)

3.88 (1.68)

6.55 (1.41)

6.12bc

.001

(8) Beweggründe

6.00 (1.96)

5.00 (2.26)

7.43 (1.68)

10.34c

.01

(9) Verletzungen

5.40 (1.78)

5.03 (1.82)

5.48 (1.88)

< 1

n.s.

Anmerkung. Empirische Ergebnisse für jede Variable. Die Ergebnisse sind Mittelwerte (Standardabweichungen). Variable 1 (Schadensersatz) ist nicht aufgeführt, da sie in der Expertenstichprobe als Ausschlußkriterium galt und nicht in die Auswertung einging (Probanden der Expertenstichprobe, die einen Schadensersatz über oder unter 850 DM gewährten, wurden von der Auswertung ausgeschlossen, da nach deutschem Recht der entstandene Schaden vollständig ersetzt werden muß). Bei Variable 2 wurden Geldwerte in DM erfragt, bei den Variablen 3 und 4 Prozentangaben. Die Variablen 5 bis 9 wurden mit neunstufigen Likertskalen erhoben (mit 1 = niedrig und 9 = hoch; bei Variable 8: 1 = moralisch gut vertretbar und 9 = moralisch schlecht vertretbar).

a mit df = 2, 117 b t-Wert (einseitig mit df = 117) c signifikante Abweichung vom linearen Trend

 

 

 

 

 

 

6.1.2 Experiment Ib: Untersuchung von juristischen Laien

In Experiment Ib wurde untersucht, wie sich die Manipulation eines juristisch relevanten Faktors, der Schuldform, auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld bei juristischen Laien auswirkt.

Hypothesen

Für die juristischen Laien wird angenommen, daß sie bei Fahrlässigkeit Mitleid mit dem Verursacher empfinden und dazu tendieren, ihn finanziell zu entlasten; bei Vorsatz wird vermutet, daß sie auf das verwerfliche Verhalten des Schädigers mit Ärger und höheren Entschädigungssummen reagieren. Zusätzlich wird erwartet, daß sich diese finanziellen Unterschiede in allen drei Komponenten der Entschädigung niederschlagen, d.h. im Schadensersatz und sowohl in der Ausgleichs- als auch in der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes. Die Berücksichtigung beider Funktionen bei der Erhöhung des Schmerzensgeldes sollte sich somit darin zeigen, daß sich das prozentuale Verhältnis der beiden Funktionen zueinander über die Bedingungen nicht verändert. Die Hypothesen sind im einzelnen:

  1. Der zuerkannte Schadensersatz ist im Mittel in der Vorsatzbedingung höher als in der Fahrlässigkeitsbedingung.
  2. Das angegebene Schmerzensgeld ist im Mittel in der Vorsatzbedingung höher als in der Fahrlässigkeitsbedingung.
  1. Bei einer Erhöhung des Schmerzensgeldes bleibt der prozentuale Anteil der Genugtuungsfunktion im Mittel konstant.
  2. Die Mittelwerte der Variable Mitleid sind bei fahrlässigem Verhalten des Schädigers im Mittel höher als bei vorsätzlichem Handeln.
  3. Die Mittelwerte der Variable Ärger sind bei fahrlässigem Verhalten des Schädigers im Mittel niedriger als bei vorsätzlichem Handeln.

 

 

Stichprobe

An der Untersuchung nahmen 125 Personen (75 Studentinnen und 50 Studenten) der in Abschnitt 5.1 beschriebenen Laienstichprobe im Alter von 19 bis 32 Jahren teil. Der Median lag bei 23,5 Jahren.

Ergebnisse

Probanden, die in den Fragen 3 und 4 Prozentwerte nannten, deren Summe nicht 100 ergab, wurden von der Auswertung ausgeschlossen. Insgesamt wurden die Daten von 10 Personen nicht in die Auswertung aufgenommen.

Allgemeine Befunde

Eine über alle experimentellen Bedingungen aggregierte Analyse erbrachte keine signifikanten Geschlechtsunterschiede. In einer explorativen Datenanalyse zeigten sich für einige abhängige Variablen deutliche Unterschiede in den Trends der Ergebnisse der beiden Fallgeschichten; die Geschichten wurden daher getrennt ausgewertet. Auf die Bedeutung dieses Befundes wird in der Diskussion der Ergebnisse in Abschnitt 7.1 eingegangen.

Effekte der experimentellen Manipulation

Für beide Fallgeschichten wurden für alle abhängigen Variablen einfaktorielle Varianzanalysen mit a-priori-Kontrasten ([ -1 0 1] ) mit dem Faktor Schuldform gerechnet. Die Gewichte entsprachen den Faktorstufen Fahrlässigkeit (-1), keine Angaben (0) und Vorsatz (1). Die Mittelwerte aller empirisch erhobenen Variablen sowie die Standardabweichungen und inferenzstatistischen Kenngrößen sind in den Tabellen 6.2 und 6.3 dargestellt.

In Fallgeschichte 1 (Baugrube) ergab sich für die abhängige Variable Schuldform ein signifikanter Effekt in die erwartete Richtung. Zusätzlich zeigte sich jedoch eine signifikante Abweichung vom getesteten linearen Trend, die darauf zurückzuführen ist, daß das Verhalten des Schädigers in der Bedingung, in der keine Angaben zu der Schuldform des Schädigers gemacht wurden, mit einem Mittelwert von 3.76 als fahrlässiger eingeschätzt wird als in der Fahrlässigkeitsbedingung. Da sich aber die Mittelwerte der beiden Extrembedingungen (M = 4.62 bzw. 5.95) deutlich unterscheiden, kann die experimentelle Manipulation als erfolgreich gelten. Bei der Beurteilung der Beweggründe des Schädigers ergab sich ebenfalls ein signifikanter Effekt in derselben Richtung: Mit der wahrgenommenen Vorsätzlichkeit des Verhaltens steigt auch die Annahme, der Schuldige habe moralisch schlecht vertretbare Beweggründe für sein Handeln gehabt. Die Schwere der Verletzungen wurde über alle Bedingungen als gleich hoch eingeschätzt. Diese Ergebnisse sind in Abbildung 6.3 dargestellt.

Der zuerkannte Schadensersatz war wider Erwarten unbeeinflußt von der experimentellen Variation. Auch die Variable Schmerzensgeld weist keinen signifikanten Effekt auf, ebenso der für die Genugtuung gewährte Anteil des Schmerzensgeldes. Die Manipulation war demnach ohne Einfluß auf alle drei Formen der Entschädigung. Die Werte für die Emotionen Ärger und Mitleid änderten sich ebenfalls nicht über die Bedingungen. Die Ergebnisse für die Variablen Schmerzensgeld, Anteil Genugtuung, Ärger und Mitleid zeigt Abbildung 6.4.

 

 

 

 

 

Tabelle 6.2: Ergebnisse der Laien in Experiment I (Manipulation der Schuldform), Fallgeschichte 1 (Baugrube)

Schuldform

Fahrlässigkeit (n = 21)

keine Angaben (n = 21)

Vorsatz (n = 20)

M (SD)

M (SD)

M (SD)

t-Werta

p<

(1) Schadensersatz

862 (232)

921 (159)

798 (204)

1.06b

n.s.

(2) Schmerzensgeld

3810 (2426)

3214 (1179)

4000 (1564)

< 1

n.s.

(3) Anteil Ausgleich

82.62 (18.55)

80.00 (18.71)

82.65 (15.74)

< 1b

n.s.

(4) Anteil Genugtuung

17.38 (18.55)

20.00 (18.71)

17.35 (15.74)

< 1b

n.s.

(5) Ärger

4.90 (2.00)

4.95 (2.31)

5.25 (2.34)

< 1

n.s.

(6) Mitleid

3.76 (1.76)

4.71 (2.31)

3.90 (2.69)

< 1

n.s.

(7) Schuldform

4.62 (2.04)

3.76 (1.92)

5.95 (1.43)

2.34c

< .05

(8) Beweggründe

5.05 (2.31)

4.14 (1.93)

6.70 (1.30)

2.78c

< .01

(9) Verletzungen

5.14 (1.93)

5.05 (1.80)

5.00 (1.65)

< 1b

n.s.

Anmerkung. Empirische Ergebnisse für jede Variable. Die Ergebnisse sind Mittelwerte (Standardabweichungen); bei den Variablen 1 und 2 wurden Geldwerte in DM erfragt, bei den Variablen 3 und 4 Prozentangaben. Die Variablen 5 bis 9 wurden mit neunstufigen Likertskalen erhoben (mit 1 = niedrig und 9 = hoch; bei Variable 8: 1 = moralisch gut vertretbar und 9 = moralisch schlecht vertretbar).

a einseitig mit df = 59 b F-Wert mit df = 2, 59 c signifikante Abweichung vom linearen Trend

 

In Fallgeschichte 2 (Handwerker) zeigte ein signifikanter Effekt bei der abhängigen Variable Schuldform in der erwarteten Richtung, daß die experimentelle Manipulation erfolgreich war. Die Einschätzung der Beweggründe ändert sich ebenfalls signifikant über die Bedingungen; bei Vorsatz werden dem Schädiger eher moralisch schlecht vertretbare Beweggründe unterstellt als bei fahrlässigem Verhalten. Die Verletzungen wurden über alle drei Bedingungen als gleich schwer eingeschätzt. Diese Ergebnisse sind in Abbildung 6.5 dargestellt.

 

 

 

 

 

Für die Variable Schadensersatz zeigt sich kein Effekt; das gewährte Schmerzensgeld jedoch ist bei vorsätzlichem Verhalten des Schädigers (M = 3864) signifikant höher als bei Fahrlässigkeit (M = 2954) und in der Bedingung ohne Angaben zu der Schuldform (M = 3467). Der Anteil der Genugtuungsfunktion weist wie erwartet keinen signifikanten Effekt auf. Die Erhöhung des Betrages ist somit nicht allein auf eine Anhebung des für die Genugtuung bestimmten Geldes zurückzuführen; vielmehr ist auch die für den Ausgleich zuerkannte Summe von der Erhöhung beeinflußt.

In den Ärger- und Mitleidwerten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede über die Bedingungen. Dieser Befund läßt sich nicht mit der Annahme vereinbaren, die Erhöhung des Schmerzensgeldes sei durch die emotionale Bewertung des Falles vermittelt. Die Ergebnisse für die Variablen Schmerzensgeld, Anteil Genugtuung, Ärger und Mitleid zeigt Abbildung 6.6

 

 

 

 

 

Tabelle 6.3: Ergebnisse der Laien in Experiment I (Manipulation der Schuldform), Fallgeschichte 2 (Handwerker)

Schuldform

Fahrlässigkeit (n = 20)

keine Angaben (n = 21)

Vorsatz (n = 22)

M (SD)

M (SD)

M (SD)

t-Werta

p<

(1) Schadensersatz

888 (146)

933 (339)

882 (279)

< 1b

n.s.

(2) Schmerzensgeld

2954 (1605)

3467 (1216)

3864 (2167)

1.71

.05

(3) Anteil Ausgleich

82.00 (14.36)

85.71 (14.26)

75.45 (23.24)

1.39b

n.s.

(4) Anteil Genugtuung

18.00 (14.36)

14.29 (14.26)

24.55 (23.24)

1.39b

n.s.

(5) Ärger

5.55 (2.11)

5.43 (2.38)

6.55 (2.28)

1.42

n.s.

(6) Mitleid

3.70 (2.05)

4.24 (2.17)

2.95 (1.91)

1.18

n.s.

(7) Schuldform

3.90 (2.20)

4.19 (2.27)

6.32 (2.01)

3.62

.001

(8) Beweggründe

6.35 (1.69)

5.38 (2.11)

7.50 (1.79)

1.98c

.05

(9) Verletzungen

5.40 (2.01)

5.19 (1.33)

5.05 (1.96)

< 1b

n.s.

Anmerkung. Empirische Ergebnisse für jede Variable. Die Ergebnisse sind Mittelwerte (Standardabweichungen); bei den Variablen 1 und 2 wurden Geldwerte in DM erfragt, bei den Variablen 3 und 4 Prozentangaben. Die Variablen 5 bis 9 wurden mit neunstufigen Likertskalen erhoben (mit 1 = niedrig und 9 = hoch; bei Variable 8: 1 = moralisch gut vertretbar und 9 = moralisch schlecht vertretbar).

a einseitig mit df = 60 b F-Wert mit df = 2, 60 c signifikante Abweichung vom linearen Trend

 

6.1.3 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Experiment I

Bei den Rechtsexperten war wie erwartet das gewährte Schmerzensgeld in der Vorsatzbedingung höher als in der Fahrlässigkeitsbedingung. Dieser Befund entspricht den rechtlichen Regelungen. Die Erhöhung des Schmerzensgeldes spiegelte sich jedoch nicht in einer vermehrten Gewichtung der Genugtuungsfunktion wider. Es wurde demnach auch der für den Ausgleich bestimmte Anteil des Schmerzensgeldes angehoben. In der Bedingung mit vorsätzlichem Verhalten des Schädigers zeigten sich signifikant höhere Werte der Variable Ärger.

Die juristischen Laien gewährten in Fallgeschichte 1 (Baugrube) gleich viel Schmerzensgeld bei Vorsatz und bei Fahrlässigkeit; dazu passend änderten sich auch die Emotionen Ärger und Mitleid nicht über die Bedingungen. In Fallgeschichte 2 (Handwerker) war das zugemessene Schmerzensgeld bei Vorsatz höher als bei Fahrlässigkeit; dazu passend zeigte sich eine tendenzielle Steigerung des Ärgers in der Vorsatzbedingung, die sich aber nicht signifikant von der anderen Extrembedingung abhob. Für Mitleid gab es diese Entsprechung nicht.

6.2 Experiment II (Manipulation der Beweggründe des Schädigers)

Experiment II untersuchte den Einfluß eines für die Schmerzensgeldbemessung juristisch nicht relevanten Faktors. Hier wurde überprüft, welchen Effekt die Manipulation der moralischen Vertretbarkeit der Beweggründe, die den Verursacher eines Schadens zu seinem Verhalten veranlaßt hatten, auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld hat. Die Variable Beweggründe wurde in drei Stufen zwischen den Probanden variiert.

Wie in Experiment I bestand das Untersuchungsmaterial aus den in den Tabellen 5.6 und 5.7 dargestellten Fallgeschichten, die durch Zusatzinformationen ergänzt wurden. Hier wurden durch den Einschub von verschiedenen Aussagen über die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe, die den Schädiger zu seinem Verhalten veranlaßt hatten, je drei Varianten der Fallgeschichten erzeugt. Die abhängigen Variablen wurden mit den in Kasten 5.1 und 5.2 sowie Tabelle 5.8 dargestellten Fragebögen erhoben.

Fallgeschichte I (Baugrube), in der ein Passant die Absperrung einer Baugrube entfernt und so den Sturz eines anderen Fußgängers verursacht, wurde durch folgende Einschübe ergänzt: (a) "Er hatte sich sehr beeilt, weil ihn auf dem Handy ein Anruf seiner Frau erreichte, die ihn bat, möglichst bald bei seiner chronisch kranken Schwiegermutter vorbeizufahren, der es schlechter ging." (Beweggründe gut) und (b) "Er hatte sich sehr beeilt, weil ihn auf dem Handy der Anruf eines Kollegen erreichte, der ihn drängte, rechtzeitig zum Stammtisch zu kommen." (Beweggründe schlecht). In einer dritten Bedingung wurde keine Information über die Beweggründe des Verursachers gegeben (keine Angaben).

Fallgeschichte 2 (Handwerker), in der eine Person durch ein von einem Handwerker fehlerhaft montiertes Regal zu Schaden kommt, wurde durch folgende Zusatzinformationen erweitert: "Er hatte sich mit der Anbringung des Regals sehr beeilt, weil ihn auf dem Handy ein Anruf seiner Frau erreichte, die ihn bat, möglichst bald bei seiner chronisch kranken Schwiegermutter vorbeizufahren, der es schlechter ging." (Beweggründe gut) und (b) "Er hatte sich mit der Anbringung des Regals sehr beeilt, weil ihn auf dem Handy der Anruf eines Kollegen erreichte, der ihn drängte, rechtzeitig zum Stammtisch zu kommen." (Beweggründe schlecht). Auch hier wurde in einer dritten Bedingung keine Information über die Beweggründe des Schädigers gegeben (keine Angaben).

6.2.1 Experiment IIa: Untersuchung von Rechtsexperten

In Experiment IIa wurde untersucht, wie sich die Manipulation eines juristisch nicht relevanten Faktors, der moralischen Vertretbarkeit der Beweggründe des Schädigers, auf die Zumessung des Schmerzensgeldes bei Rechtsexperten auswirkt.

Hypothesen

Rechtlich sollten sich die Beweggründe, die den Verursacher eines Unfalls zu seinem Handeln veranlaßten, nicht auf die Höhe des gewährten Schmerzensgeldes und den Schadensersatz auswirken. So wird vermutet, daß die Experten bei der Zumessung der Gelder Informationen über die Beweggründe des Schädigers nicht berücksichtigen. Die Hypothesen sind im einzelnen:

  1. Die Höhe des angegebenen Schmerzensgeldes ändert sich nicht über die Bedingungen.
  2. Auch der prozentuale Anteil der Genugtuungsfunktion bleibt über die Bedingungen gleich.

Stichprobe

An der Untersuchung nahmen 123 Jurastudenten und �studentinnen (51 Frauen und 72 Männer) der in Abschnitt 5.1 beschriebenen Expertenstichprobe im Alter von 20 bis 37 Jahren teil. Der Median lag bei 23 Jahren.

Ergebnisse

Probanden, die in Frage 1 einen Schadensersatz gewährten, der über oder unter 850 DM lag, gingen nicht in die Auswertung ein, da nach deutschem Recht der entstandene Schaden vollständig ersetzt werden muß (vgl. Abschnitt 2.1.1). Ebenfalls von der Auswertung ausgeschlossen wurden Personen, die in den Fragen 3 und 4 Prozentwerte nannten, deren Summe nicht 100 ergab. Insgesamt wurden die Daten von 11 Personen nicht in die Auswertung aufgenommen.

 

Allgemeine Befunde

Eine über alle experimentellen Bedingungen aggregierte Analyse erbrachte keine signifikanten Geschlechtsunterschiede. In einer explorativen Datenanalyse waren zwischen den Fallgeschichten keine Unterschiede in den relevanten Variablen zu erkennen. Die beiden Geschichten wurden daher zusammengefaßt ausgewertet.

Effekte der experimentellen Manipulation

Für alle abhängigen Variablen wurden einfaktorielle Varianzanalysen mit dem Faktor Beweggründe gerechnet. Tabelle 6.4 zeigt für alle durchgeführten Analysen die empirischen Mittelwerte und Standardabweichungen sowie die inferenzstatistischen Kenngrößen.

Für die abhängige Variable Beweggründe ergab sich ein signifikanter Effekt in der erwarteten Richtung. Allerdings zeigte sich zusätzlich eine Abweichung vom getesteten linearen Trend, da die Bedingung ohne Angaben zu der Schuldform mit einem Mittelwert von 5.00 knapp unter der Bedingung Beweggründe gut (M = 5.12) lag. Weil sich aber die Bedingung Beweggründe schlecht mit einem Mittelwert von 7.50 sehr deutlich von der anderen Extrembedingung abhebt, kann die Manipulation als erfolgreich betrachtet werden. Die Variable Schuldform blieb unbeeinflußt von der Manipulation der Beweggründe. Auch die Einschätzung des entstandenen Schadens änderte sich nicht über die Bedingungen. Diese Ergebnisse sind in Abbildung 6.7 dargestellt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Für das Schmerzensgeld zeigten sich, wie vermutet, keine signifikanten Unterschiede zwischen den Bedingungen. Dieser Befund entspricht den rechtlichen Vorschriften. Die Genugtuungsfunktion wurde allerdings wider Erwarten von der Manipulation der Beweggründe beeinflußt: In der Bedingung Beweggründe schlecht wurde sie mit durchschnittlich 19.9% am stärksten gewichtet, gefolgt von der Bedingung keine Angaben (M = 14,2%) und der Bedingung Beweggründe gut (M = 13.4%). Da der Schmerzensgeldbetrag konstant blieb, geht diese prozentuale Erhöhung des für die Genugtuung gewährten Geldes einher mit einer Verminderung des für den Ausgleich der Verletzungen bestimmten Anteils.

Sowohl für Ärger als auch für Mitleid ergaben sich signifikante Effekte der experimentellen Manipulation: In der Bedingung Beweggründe gut sind die Werte für Ärger mit einem Mittelwert von 4.44 am niedrigsten und die für Mitleid am höchsten (M = 4.07); in der Bedingung Beweggründe schlecht sind die Werte für Ärger am höchsten und die für Mitleid am niedrigsten (M = 5.57 bzw. 2.76). Die Ergebnisse für die Variablen Schmerzensgeld, Anteil Genugtuung, Ärger und Mitleid zeigt Abbildung 6.8

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tabelle 6.4: Ergebnisse der Experten in Experiment II (Manipulation der Beweggründe)

Beweggründe

Beweggründe gut (n = 41)

keine Angaben (n = 40)

Beweggründe schlecht (n = 42)

M (SD)

M (SD)

M (SD)

F-Werta

p<

(2) Schmerzensgeld

3971 (1957)

3869 (1539)

3869 (1538)

< 1

n.s.

(3) Anteil Ausgleich

86.59 (11.75)

85.78 (13.18)

80.12 (17.55)

4.18

.05

(4) Anteil Genugtuung

13.41 (11.75)

14.22 (13.18)

19.88 (17.55)

4.18

.05

(5) Ärger

4.44 (1.84)

4.55 (2.10)

5.57 (2.05)

6.65

.05

(6) Mitleid

4.07 (2.05)

3.40 (2.20)

2.76 (2.16)

7.78

.01

(7) Schuldform

4.68 (1.86)

3.88 (1.68)

4.90 (1.61)

< 1

n.s.

(8) Beweggründe

5.12 (2.43)

5.00 (2.26)

7.50 (1.66)

5.06bc

.001

(9) Verletzungen

5.07 (1.52)

5.03 (1.82)

5.21 (1.52)

< 1

n.s.

Anmerkung. Empirische Ergebnisse für jede Variable. Die Ergebnisse sind Mittelwerte (Standardabweichungen). Variable 1 (Schadensersatz) ist nicht aufgeführt, da sie in der Expertenstichprobe als Ausschlußkriterium galt und nicht in die Auswertung einging. (Probanden der Expertenstichprobe, die einen Schadensersatz über oder unter 850 DM gewährten, wurden von der Auswertung ausgeschlossen, da nach deutschem Recht der entstandene Schaden vollständig ersetzt werden muß). Bei Variable 2 wurden Geldwerte in DM erfragt, bei den Variablen 3 und 4 Prozentangaben. Die Variablen 5 bis 9 wurden mit neunstufigen Likertskalen erhoben (mit 1 = niedrig und 9 = hoch; bei Variable 8: 1 = moralisch gut vertretbar und 9 = moralisch schlecht vertretbar).

a mit df = 2, 120 b t-Wert, einseitig mit df = 120 c signifikante Abweichung vom linearen Trend

 

 

 

 

 

 

6.2.2 Experiment IIb: Untersuchung von juristischen Laien

In Experiment IIb wurde untersucht, wie sich die Manipulation eines juristisch nicht relevanten Faktors, der moralischen Vertretbarkeit der Beweggründe des Schädigers, auf die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien auswirkt.

Hypothesen

Für die juristischen Laien wird erwartet, daß sie die Beweggründe eines Unfallverursachers genauso bewerten wie seine Schuldform. Es wird also angenommen, daß sie bei moralisch gut vertretbaren Beweggründen Mitleid mit dem Verursacher empfinden und dazu tendieren, ihn finanziell zu entlasten; bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen wird vermutet, daß sie auf das in ihren Augen verwerfliche Verhalten des Schädigers mit Ärger und höheren Entschädigungssummen reagieren. Zusätzlich wird erwartet, daß sich diese finanziellen Unterschiede in allen drei Formen der Entschädigung niederschlagen, d.h. im Schadensersatz und sowohl in der Ausgleichs- als auch in der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes.

Die Hypothesen lauten, korrespondierend mit Experiment Ib, im einzelnen:

  1. Der zuerkannte Schadensersatz ist im Mittel in der Bedingung Beweggründe schlecht höher als in der Bedingung Beweggründe gut.
  2. Das angegebene Schmerzensgeld ist im Mittel in der Bedingung Beweggründe schlecht höher als in der Bedingung Beweggründe gut.
  3. Bei einer Erhöhung des Schmerzensgeldes bleibt der prozentuale Anteil der Genugtuungsfunktion im Mittel konstant.
  4. Die Mittelwerte der Variable Mitleid sind bei moralisch gut vertretbaren Beweggründen des Schädigers im Mittel höher als bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen.
  5. Die Mittelwerte der Variable Ärger sind bei moralisch gut vertretbaren Beweggründen des Schädigers im Mittel niedriger als bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen.

Stichprobe

Die Laienstichprobe bestand aus 127 Probanden (72 Studentinnen und 55 Studenten) der in Abschnitt 5.1 dargestellten Laienstichprobe im Alter von 19 bis 61 Jahren (Median 23,5 Jahre).

Ergebnisse

Von der Auswertung ausgeschlossen wurden Probanden, die in den Fragen 3 und 4 Prozentwerte nannten, deren Summe nicht 100 ergab. Insgesamt wurden die Daten von 8 Personen nicht in die Auswertung aufgenommen.

Allgemeine Befunde

Eine über alle experimentellen Bedingungen aggregierte Analyse erbrachte keine signifikanten Geschlechtsunterschiede. In einer explorativen Datenanalyse zeigten sich für einige abhängige Variablen deutliche Unterschiede in den Trends der Ergebnisse der beiden Fallgeschichten; die Geschichten wurden daher getrennt ausgewertet. Auf die Bedeutung dieses Befundes wird in der Diskussion der Ergebnisse in Abschnitt 7.1 eingegangen.

Effekte der experimentellen Manipulation

Für beide Fallgeschichten wurden für alle abhängigen Variablen einfaktorielle Varianzanalysen mit a-priori-Kontrasten ([ -1 0 1] ) mit dem Faktor Beweggründe gerechnet. Die Gewichte entsprachen den Faktorstufen Beweggründe gut (-1), keine Angaben (0) und Beweggründe schlecht (1). Die Tabellen 6.5 und 6.6 zeigen für alle Analysen die empirischen Mittelwerte und Standardabweichungen sowie die inferenzstatistischen Kenngrößen.

In Fallgeschichte 1 (Baugrube) ergab sich für die abhängige Variable Beweggründe ein signifikanter Effekt der experimentellen Manipulation in der erwarteten Richtung. Zusätzlich zeigte sich jedoch eine signifikante Abweichung vom linearen Trend, die darauf zurückzuführen ist, daß der Mittelwert in der Bedingung keine Angaben (M = 4.14) geringer war als in der Bedingung, die moralisch gut vertretbare Beweggründe nahelegte (M = 4.76). Mit einem Mittelwert von 6.48 unterscheidet sich die Bedingung mit moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen aber so deutlich von der anderen Extrembedingung, daß die Manipulation als erfolgreich bezeichnet werden kann. Auch die Variable Schuldform weist einen signifikanten Effekt in derselben Richtung auf. Die Einschätzung des entstandenen Schadens ändert sich nicht signifikant über die Bedingungen. Diese Ergebnisse sind in Abbildung 6.9 dargestellt.

 

 

 

Die Höhe des gewährten Schadensersatzes änderte sich nicht über die Bedingungen. Das Schmerzensgeld aber zeigt einen signifikanten Effekt in der erwarteten Richtung: Mit einem Mittelwert von 4062 ist das zugemessene Schmerzensgeld in der Bedingung, die moralisch schlecht vertretbare Beweggründe des Schädigers nahelegte, signifikant höher als in der Bedingung, in der moralisch gut vertretbare Beweggründe angegeben waren (M = 2843). Der prozentuale Anteil der Genugtuungsfunktion wies keinen signifikanten Effekt auf; die Erhöhung des gewährten Betrages hat sich also sowohl auf den für die Genugtuung bestimmten Anteil ausgewirkt als auch auf den Teil, der einen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen darstellen sollte.

Für die Variable Ärger ergab sich ein statistisch signifikanter Effekt in der erwarteten Richtung: In der Bedingung Beweggründe schlecht war der Mittelwert mit 5.14 signifikant höher als in der Bedingung Beweggründe gut (M = 3.43). Für die Variable Mitleid ließ sich dieser Effekt nicht nachweisen. Die Ergebnisse für die Variablen Schmerzensgeld, Anteil Genugtuung, Ärger und Mitleid zeigt Abbildung 6.10.

 

 

 

 

 

Tabelle 6.5: Ergebnisse der Laien in Experiment II (Manipulation der Beweggründe), Fallgeschichte 1 (Baugrube)

Beweggründe

Beweggründe gut (n = 21)

keine Angaben (n = 21)

Beweggründe schlecht (n = 21)

M (SD)

M (SD)

M (SD)

t-Werta

p<

(1) Schadensersatz

883 (267)

921 (159)

952 (260)

< 1

n.s.

(2) Schmerzensgeld

2843 (1343)

3214 (1179)

4062 (2188)

2.42

.01

(3) Anteil Ausgleich

92.38 (9.30)

80.00 (18.71)

83.81 (13.96)

3.67b

n.s.

(4) Anteil Genugtuung

7.62 (9.30)

20.00 (18.71)

16.19 (13.96)

3.67b

n.s.

(5) Ärger

3.43 (2.11)

4.95 (2.31)

5.14 (2.31)

2.47

.01

(6) Mitleid

4.67 (2.11)

4.71 (2.31)

3.57 (2.34)

1.58

n.s.

(7) Schuldform

3.38 (1.53)

3.76 (1.92)

4.33 (1.59)

1.83

.05

(8) Beweggründe

4.76 (2.05)

4.14 (1.93)

6.48 (2.38)

2.61c

.01

(9) Verletzungen

4.81 (1.47)

5.05 (1.80)

5.19 (1.97)

< 1b

n.s.

Anmerkung. Empirische Ergebnisse für jede Variable. Die Ergebnisse sind Mittelwerte (Standardabweichungen); bei den Variablen 1 und 2 wurden Geldwerte in DM erfragt, bei den Variablen 3 und 4 Prozentangaben. Die Variablen 5 bis 9 wurden mit neunstufigen Likertskalen erhoben (mit 1 = niedrig und 9 = hoch; bei Variable 8: 1 = moralisch gut vertretbar und 9 = moralisch schlecht vertretbar).

a einseitig mit df = 60 b F-Wert mit df = 2, 60 c signifikante Abweichung vom linearen Trend

Auch in Fallgeschichte 2 (Handwerker) ergab sich ein signifikanter Effekt bei der abhängigen Variable Beweggründe in der erwarteten Richtung. Zusätzlich zeigte sich jedoch auch hier eine signifikante Abweichung vom linearen Trend, die daraus resultiert, daß der Mittelwert in der Bedingung, in der keine Angaben zu der moralischen Vertretbarkeit der Beweggründe des Verursachers gemacht wurden (M = 5.38), niedriger war als in der Bedingung Beweggründe gut (M = 5.38). Da sich der Mittelwert in der Bedingung Beweggründe schlecht mit einem Mittelwert von 7.64 aber sehr deutlich von der anderen Extrembedingung abhebt, kann die Manipulation auch hier als erfolgreich betrachtet werden. Für die Variable Schuldform ergab sich ebenfalls ein signifikanter Effekt in derselben Richtung. Die Einschätzung des entstandenen Schadens änderte sich nicht über die Bedingungen. Diese Ergebnisse sind in Abbildung 6.11 dargestellt.

Die experimentelle Manipulation hatte weder auf den Schadensersatz noch auf das Schmerzensgeld den erwarteten Einfluß; es zeigten sich für beide Variablen keine statistisch signifikanten Effekte. Auch der Anteil der Genugtuungsfunktion änderte sich nicht signifikant.

Während die Variable Ärger unbeeinflußt war von der experimentellen Manipulation, waren die Werte für Mitleid in der Bedingung Beweggründe gut mit einem Mittelwert von 3.95 signifikant höher als in der Bedingung Beweggründe schlecht (M = 2.45). Da dieser Effekt bei der Variable Mitleid aber nicht einhergeht mit einem gleichläufigen Effekt bei der Variablen Schadensersatz und Schmerzensgeld, kann die Annahme, die Zumessung der Gelder sei von dem empfundenen Mitleid determiniert, nicht belegt werden. Die Ergebnisse für die Variablen Schmerzensgeld, Anteil Genugtuung, Ärger und Mitleid zeigt Abbildung 6.12.

 

 

 

 

 

 

Tabelle 6.6: Ergebnisse der Laien in Experiment II (Manipulation der Beweggründe), Fallgeschichte 2 (Handwerker)

Beweggründe

Beweggründe gut (n = 21)

keine Angaben (n = 21)

Beweggründe schlecht (n = 22)

M (SD)

M (SD)

M (SD)

t-Werta

p<

(1) Schadensersatz

874 (66)

933 (339)

875 (92)

< 1

n.s.

(2) Schmerzensgeld

3776 (1889)

3467 (1216)

3839 (2242)

< 1

n.s.

(3) Anteil Ausgleich

90.00 (12.25)

85.71 (14.26)

85.00 (15.89)

1.33b

n.s.

(4) Anteil Genugtuung

10.00 (12.25)

14.29 (14.26)

15.00 (15.89)

1.33b

n.s.

(5) Ärger

5.95 (2.25)

5.43 (2.38)

5.73 (2.57)

< 1

n.s.

(6) Mitleid

3.95 (1.66)

4.24 (2.17)

2.45 (1.57)

2.71c

.01

(7) Schuldform

4.43 (2.06)

4.19 (2.27)

5.86 (2.17)

2.17

.05

(8) Beweggründe

5.52 (2.20)

5.38 (2.11)

7.64 (1.68)

3.45c

.001

(9) Verletzungen

4.48 (2.09)

5.19 (1.33)

5.45 (1.99)

3.05

n.s.

Anmerkung. Empirische Ergebnisse für jede Variable. Die Ergebnisse sind Mittelwerte (Standardabweichungen); bei den Variablen 1 und 2 wurden Geldwerte in DM erfragt, bei den Variablen 3 und 4 Prozentangaben. Die Variablen 5 bis 9 wurden mit neunstufigen Likertskalen erhoben (mit 1 = niedrig und 9 = hoch; bei Variable 8: 1 = moralisch gut vertretbar und 9 = moralisch schlecht vertretbar).

a einseitig mit df = 61 b F-Wert mit df = 2, 61 c signifikante Abweichung vom linearen Trend

 

6.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Experiment II

Bei den Rechtsexperten hatte die Manipulation wie erwartet keinen Einfluß auf die Höhe des Schmerzensgeldes. Dieser Befund entspricht den rechtlichen Regelungen. Es zeigte sich jedoch ein Anstieg der Genugtuungsfunktion in der Bedingung mit moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen. In dieser Bedingung waren die Werte der Variable Ärger signifikant höher und die Werte für Mitleid signifikant niedriger als in der anderen Extrembedingung.

 

Bei den juristischen Laien stieg in Fallgeschichte 1 (Baugrube) wie erwartet das Schmerzensgeld bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen. Die Werte für Ärger waren in dieser Bedingung ebenfalls signifikant höher; die Werte der Variable Mitleid waren tendenziell niedriger, unterschieden sich jedoch nicht signifikant von den Werten der anderen Extrembedingung.

In Fallgeschichte 2 (Handwerker) änderte sich die Höhe des gewährten Schmerzensgeldes nicht über die Bedingungen; dazu passend blieben auch die Werte der Variable Ärger konstant. Allerdings sanken die Werte für Mitleid signifikant in der Bedingung Beweggründe schlecht.

7. Diskussion und Ausblick

Die bisherige Forschung zur Entschädigungszumessung ist weitgehend theoriearm ist und weist einen Mangel an psychologischen Erklärungsmodellen auf. Zudem bezieht sich die empirische Literatur größtenteils auf das US-amerikanische Rechtssystem; psychologische Studien zur Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld nach deutschem Recht fehlen gänzlich.

Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war es, einen theoretischen Rahmen zu entwickeln und zu testen, aus dem Annahmen über die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien abgeleitet werden können. Diese Annahmen bezogen sich explizit auf die Regelungen des deutschen Rechts. Das in der Einleitung geschilderte Medienecho auf die wahrgenommene Ungerechtigkeit in der Behandlung von Prominenten und "Normalbürgern" zeigt, daß bestimmte Entscheidungen der deutschen Gerichte Empörung hervorrufen. Gleichzeitig deutete es darauf hin, daß die verschiedenen Funktionen des Schmerzensgeldes der Öffentlichkeit entweder nicht bekannt sind oder in der Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Aus diesen Überlegungen wurde die Frage abgeleitet, ob juristische Laien bei der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld andere Kriterien in Betracht zögen als Rechtsexperten, wäre ihnen die Entscheidung überlassen, die Höhe der Beträge zu bestimmen.

7.1 Juristische Laien

In diesem Abschnitt werden die Befunde der Untersuchung juristischer Laien diskutiert. Zunächst wird darauf eingegangen, wie sich die Manipulation der Schuldform und der moralischen Vertretbarkeit der Beweggründe des Schädigers auf die Höhe der gewährten Entschädigungssummen ausgewirkt hat. Anschließend wird betrachtet, inwieweit sich der angenommene Zusammenhang der emotionalen Bewertungen mit den zugemessenen Beträgen bestätigte.

7.1.1 Schadensersatz

Die Höhe des gewährten Schadensersatzes wurde weder von der Manipulation der Schuldform, noch von der der moralischen Vertretbarkeit der Beweggründe des Schädigers systematisch beeinflußt. Der Grundsatz, daß der materielle Schadensersatz die finanziellen Verluste vollständig ausgleichen, den Geschädigten jedoch nicht überkompensieren soll, scheint bei juristischen Laien dennoch nur wenig bekannt zu sein. Es wurden Beträge sowohl unter als auch über dem Betrag angegeben, der als entstandener finanzieller Schaden in den Fallgeschichten genannt war. Hier besteht ein Bedarf, die rechtlichen Regelungen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. So könnte beispielsweise im Politikunterricht der Schulen angesetzt werden, indem auf diese Regelungen, die jeden Bürger betreffen können, stärker eingegangen wird. Auch in den Medien sollten die Hintergründe der berichteten Urteile stärker erläutert werden. Polemische Sätze wie "Verfassungsrichter stört es nicht, daß die Schönen und Reichen beim Schadenersatz abkassieren" (Rath, 2000) tragen dazu bei, daß Gerichtsentscheidungen von den Lesern für ungerecht befunden werden, ohne daß die genauen Grundlagen dieser Urteile nachvollzogen werden können.

7.1.2 Schmerzensgeld

In den vorliegenden Studien wurden zwei Faktoren manipuliert, von denen erwartet wurde, daß sie sich auf die Schmerzensgeldzumessung juristischer Laien auswirken. Der erste Faktor, die Schuldform des Schädigers, unterschied zwischen fahrlässigem und vorsätzlichem Handeln des Verursachers. Die Schuldform ist für die Bemessung des Schmerzensgeldes juristisch relevant: Rechtlich sollte sich Vorsatz in einer Erhöhung des Betrages niederschlagen.

Der zweite Faktor, die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe des Verursachers, unterschied zwischen moralisch gut vertretbaren und moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen, die den Schädiger zu seinem Handeln bewogen. Die Moralische Vertretbarkeit der Beweggründe eines Akteurs ist für die Bemessung des Schmerzensgeldes juristisch nicht relevant und sollte sich rechtlich nicht auf die Höhe des Betrags auswirken.

Hier wurde jedoch angenommen, daß juristische Laien beide Faktoren bei der Zumessung des Schmerzensgeldes berücksichtigen. Sowohl vorsätzliches Handeln als auch moralisch schlecht vertretbare Beweggründe des Schädigers sollten demnach zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen.

Schuldform

Die erwartete Erhöhung des Schmerzensgeldes bei vorsätzlichem Verhalten des Schädigers zeigte sich nur in der Fallgeschichte, in der eine Person durch ein von einem Handwerker fehlerhaft montiertes Regal verletzt wird. Hier gewährten die Probanden in der Vorsatzbedingung signifikant höhere Schmerzensgelder als in der Fahrlässigkeitsbedingung. In der Fallgeschichte, in der ein Passant die Sicherheitsabsperrung einer Baugrube entfernt und so den Sturz eines anderen Fußgängers verschuldet, änderte sich die Höhe des gewährten Schmerzensgeldes nicht bei einer Manipulation der Schuldform des Verursachers.

Die zugemessenen Schmerzensgelder liegen in dem Baugrubenfall sowohl bei fahrlässigem als auch bei vorsätzlichem Verhalten des Schädigers im Bereich von etwa DM 4000. Dieser Betrag entspricht ungefähr der Summe, die der Handwerker bei vorsätzlichem Verhalten bezahlen sollte. Das Schmerzensgeld, zu dem der Handwerker bei Fahrlässigkeit verurteilt wurde, lag knapp unter DM 3000. Der Fußgänger mußte demnach bei Fahrlässigkeit mehr bezahlen als angenommen, nicht bei Vorsatz weniger als erwartet.

Dieser Befund könnte darauf hindeuten, daß die Angabe, der Akteur habe nicht bemerkt, daß er vergessen habe, die Gitter zurückzustellen, für eine Ausrede gehalten wurde. Die Probanden könnten das Bedürfnis verspürt haben, diese Ausrede zu bestrafen. Weiner (1995) nimmt an, daß eine "schlechte Ausrede", der kein Glauben geschenkt wird, zu vermehrtem Ärger bei dem Adressaten dieser Ausrede führen. Mit dieser Interpretation korrespondiert auch der Befund, daß die Werte für Ärger in der Bedingung, in der angegeben wurde, der Passant habe nicht bemerkt, die Gitter nicht zurückgestellt zu haben, etwa so hoch waren wie in der Bedingung, in der berichtet wurde, er habe die Baugrube bewußt ungesichert verlassen (M = 4.90 bzw. M = 5.25).

Moralische Vertretbarkeit der Beweggründe

In dem Baugrubenfall zeigte sich die erwartete Erhöhung des Schmerzensgeldes bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen des Schädigers. Dieser Effekt blieb in dem Handwerkerfall aus. Der Handwerker wurde in beiden Bedingungen zu Schmerzensgeldern in Höhe von etwa DM 3800 verurteilt. Dieser Betrag entspricht ungefähr der Summe, die der Passant bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen bezahlen sollte. Das Schmerzensgeld wurde demnach auch bei guten Beweggründen hoch angesetzt.

Auch hier zeigt sich, daß der Handwerker anders behandelt wird als der Fußgänger. Die juristischen Laien achteten bei dem Handwerker auf die Schuldform, nicht aber auf die Beweggründe; bei dem Fußgänger wurden die Beweggründe berücksichtigt, jedoch nicht die Schuldform. Eine mögliche Erklärung für diesen Befund ist, daß die juristischen Laien an den Handwerker, der als Fachmann seinen Beruf ausübt und dafür bezahlt wird, andere Maßstäbe anlegen als an eine Person, die in einer alltäglichen Situation einen Fehler macht.

So scheint es verzeihlich, fahrlässig einen falschen Dübel einzusetzen. Sich jedoch bei einem Auftrag zu beeilen und durch Pfuscharbeit eine Person zu verletzen, scheint einem Fachmann nicht nachgesehen zu werden, ungeachtet der Beweggründe, die ihn zur Eile veranlaßten. Bei dem Fußgänger hingegen werden moralisch gut vertretbare Beweggründe vorteilhaft berücksichtigt, während Fahrlässigkeit nicht zu einer Reduktion des Schmerzensgeldes führt.

Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, daß die Probanden sich eher in den Passanten als in den Handwerker hineinversetzen konnten. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Ähnlichkeitshypothese von Festinger postulieren Wheeler, Koestner und Driver (1982), eine Person vergleiche sich selbst am ehesten mit solchen Menschen, die ihnen selbst in einem relevanten Attribut ähneln. Dieses relevante Attribut könnte hier der Status eines Passanten im Vergleich mit dem eines Handwerkers sein. Da die Stichproben der vorliegenden Studien ausschließlich studentisch waren, liegt die Vermutung nahe, die Probanden könnten sich eher in den Fußgänger als in den Handwerker hineinversetzen. Sie legen vermutlich auch eher dann ihre eigenen Maßstäbe an bei der Beurteilung des Verhaltens eines Akteurs, wenn sie sich in diese Person hineinversetzen können.

Shaver (1985) nimmt an, daß "...the philosophical question �Could he or she have done otherwise?� becomes the attributional question �Would I have done otherwise?�" (Shaver, 1985, S. 81; Hervorhebungen im Original). So sind die Probanden vielleicht der Ansicht, sie selbst würden nicht vergessen, eine Sicherheitsabsperrung wieder anzubringen. Deshalb werten sie diese Aussage als Ausrede, empfinden Ärger und verurteilen den Schädiger zu einem höheren Schmerzensgeld. Gleichzeitig können sie sich möglicherweise vorstellen, selbst aufgrund eines sozial erwünschten Motivs einen Fehler zu begehen, und berücksichtigen daher moralisch gut vertretbare Beweggründe bei der Bewertung der Handlungsweisen einer ihnen ähnlichen Person, in diesem Fall des Passanten. In weiteren Studien könnte dieser Aspekt der Identifikation mit dem Verursacher genauer untersucht werden.

Ein weiteres Ergebnis der vorliegenden Studien war, daß die Probanden durchgängig bei fahrlässigem Verhalten auch moralisch besser vertretbare Beweggründe unterstellen als bei vorsätzlichem Handeln. Der Bedeutungsgehalt der Begriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit scheint juristischen Laien nicht in vollem Umfang bekannt zu sein. Dieser Befund läßt vermuten, daß die Unterschiede, die sich in den Schmerzensgeldern zeigen, eher auf intuitiven, inhaltlichen Bewertungen beruhen als auf rechtlichen Überlegungen.

In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluß der Faktoren Schuldform und Beweggründe in zwei voneinander unabhängigen Experimenten untersucht. Nachfolgende Studien könnten die hier gefundene gegenseitige Beeinflussung dieser beiden Faktoren aufgreifen. In einem zweifaktoriellen Design wäre dann überprüfbar, ob die Faktoren bei der Zumessung der Entschädigung interagieren.

Auch die Unterschiede in der Beurteilung des Handwerkers und des Passanten deuten darauf hin, daß Laien bei der Beurteilung eines Falles eher auf die inhaltlichen Komponenten achten; sie scheinen ihre Alltagsvorstellungen eines Geschehnisses auf die Bewertung eines Falles zu übertragen.

Die Annahme einer intuitiven Bewertung wird ebenfalls unterstützt durch den Befund, daß ein Anstieg des Schmerzensgeldes nicht einherging mit einer vermehrten Gewichtung der Genugtuungsfunktion. Wie erwartet scheinen juristische Laien nicht zwischen den verschiedenen Funktionen des Schmerzensgeldes zu differenzieren. Sie vergeben vielmehr einen ihnen gerecht erscheinenden Gesamtbetrag.

Emotionen

In der vorliegenden Arbeit wurde die Annahme aufgestellt, die Höhe des gewährten Schmerzensgeldes sei bei juristischen Laien durch emotionale Reaktionen vermittelt. Es wurde vermutet, daß vorsätzliches Handeln oder moralisch schlecht vertretbare Beweggründe des Schädigers zu verstärktem Ärger über den Akteur sowie vermindertem Mitleid mit ihm führen und in einer Erhöhung des Schmerzensgeldes resultieren.

Die Ergebnisse der experimentellen Prüfung dieser Annahme fallen uneinheitlich aus. Während die Werte der Variable Ärger gut mit der Höhe der gewährten Beträge korrespondierten, blieb diese Entsprechung in den Werten der Variable Mitleid nahezu aus.

Da die Werte für Mitleid zudem durchgehend sehr niedrig sind (die Durchschnittswerte variieren zwischen 2.45 und 4.71, die Werte für Ärger hingegen zwischen 3.43 und 6.55), kann davon ausgegangen werden, daß kaum Mitleid mit dem Verursacher eines Schadens empfunden wird, unabhängig von seiner Schuldform oder den Beweggründen, die ihn zu seinem Handeln veranlaßten. Ein korrespondierender Befund ergab sich bei Nerb (2000), der für Umweltschadensfälle keine Verbindung fand zwischen Traurigkeit und Hilfeleistung. Er konnte jedoch einen starken Zusammenhang aufzeigen zwischen dem Ärger über den Verursacher eines Umweltschadens und der Bereitschaft, sich an einem Boykott gegen den Verantwortlichen zu beteiligen.

Diese Verbindung zwischen Ärger über den Verursacher eines Schadens und dem Bedürfnis, sich gegen den Verantwortlichen zu wenden, konnte auch in den vorliegenden Studien belegt werden. Hier zeigte sich, daß eine Erhöhung des Schmerzensgeldes einherging mit einem Anstieg des empfundenen Ärgers. Bei der Bewertung eines Entschädigungsfalles scheint demnach Ärger über den Schädiger die vorrangige Emotion zu sein, die sich auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirkt.

Das Erklärungsmodell der vorliegenden Arbeit bezog sich ausschließlich auf die kognitive Bewertung des Schädigerverhaltens sowie daraus resultierende emotionale Reaktionen. Annahmen über eine Wirkung des Geschädigten wurden nicht getroffen. Die fehlende Passung der Ergebnisse für die Variable Mitleid mit den Modellannahmen deutet jedoch darauf hin, daß in einer Weiterentwicklung des theoretischen Rahmens auch die kognitiven Bewertungen des Geschädigten sowie daraus resultierende emotionale Bewertungen aufgenommen werden sollten.

7.2 Rechtsexperten

In diesem Abschnitt werden die Befunde der Untersuchung von Rechtsexperten diskutiert. Obwohl für die Expertenstichprobe keine Hypothesen über die emotionalen Reaktionen aufgestellt wurden, wird hier auch auf diesbezügliche Befunde eingegangen.

Für die Rechtsexperten wurde erwartet, daß sie sich den rechtlichen Vorschriften entsprechend verhalten. So sollte vorsätzliches Verhalten des Schädigers in einer Erhöhung des Schmerzensgeldes resultieren. Die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe des Verursachers hingegen sollte keinen Einfluß auf die Höhe der gewährten Summe haben.

Diese Annahmen wurden in der experimentellen Überprüfung bestätigt. Es ergaben sich keine Unterschiede in der Beurteilung des Handwerkers und der des Fußgängers. Auch dieser Befund entspricht den rechtlichen Regelungen. Die Rechtsexperten haben sich demnach in der Würdigung des Falles so verhalten, wie es das Gesetz vorschreibt.

Eine Abweichung von den rechtlichen Vorschriften zeigte sich allerdings in der Gewichtung der Genugtuungsfunktion. So sollte die Erhöhung des Schmerzensgeldes bei Vorsatz allein dadurch zustandekommen, daß ein für die Genugtuung bestimmter Anteil dem Betrag hinzutritt, der für den Ausgleich der Verletzungen bestimmt ist. Der prozentuale Anteil der Genugtuungsfunktion am Schmerzensgeld müßte demnach bei einer Anhebung des Betrages ebenfalls steigen. Dieser Anstieg zeigte sich jedoch nicht, obwohl das Schmerzensgeldes bei vorsätzlichem Handeln des Schädigers erhöht wurde.

Ein korrespondierender Befund ergab sich in der Untersuchung, in der die moralische Vertretbarkeit der Beweggründe des Verursachers manipuliert wurde. Entsprechend den rechtlichen Regelungen erhöhten die Rechtsexperten das Schmerzensgeld nicht bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen. Sie gewichteten aber die Genugtuungsfunktion in dieser Bedingung signifikant stärker als in der Bedingung mit moralisch gut vertretbaren Beweggründen. Gleichzeitig stiegen die Werte für Ärger signifikant an, während die Werte für Mitleid sanken.

Eine Interpretation dieser Befunde ist, daß Rechtsexperten die Genugtuungsfunktion gewissermaßen als Ventil für ihre Ablehnung dem Schädiger gegenüber benutzen. Aufgrund ihrer Ausbildung wissen sie, daß die Beweggründe des Schädigers nicht zu einer Erhöhung des Schmerzensgeld führen dürfen. Dennoch scheinen sie diesen Aspekt zu berücksichtigen, indem sie einen höheren Anteil des Betrages als Genugtuung deklarieren. Dieses Vorgehen widerspricht den rechtlichen Bestimmungen insofern, als sich durch eine Erhöhung des für die Genugtuung ausgewiesenen Anteils automatisch der Betrag reduziert, der einen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen und Verletzungen darstellt. Streng genommen werden demnach dieselben Verletzungen finanziell unterschiedlich eingestuft. Kritisch muß an dieser Stelle jedoch angemerkt werden, daß es sich bei den Rechtsexperten der vorliegenden Untersuchung um Jurastudenten ab dem dritten Fachsemester handelte. Die Ergebnisse sind somit nicht direkt übertragbar auf die Entscheidungen ausgebildeter Volljuristen.

In der vorliegenden Untersuchung wurde zunächst der Komplettbetrag des Schmerzensgeldes erhoben. Erst nachdem die Probanden diese Summe festgesetzt hatten, wurden sie aufgefordert, die prozentualen Anteile der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion anzugeben. Dieses Vorgehen erschwert eine direkte Interpretation dieser Prozentwerte, da nicht zwei voneinander unabhängige Beträge ausgewertet werden konnten. Durch die Erhebung zweier separater Summen hätte sich jedoch die Untersuchung von der realen gerichtlichen Entscheidungssituation entfernt, in der das Schmerzensgeld grundsätzlich nicht gesondert nach Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion ausgewiesen wird. Zudem hätte die Gefahr bestanden, daß sich die Rechtsexperten weigern, die Trennung der Beträge zu vollziehen, da ihnen die diesbezüglichen Regelungen bekannt sein dürften.

Diese methodische Schwierigkeit spiegelt demnach eine Schwachstelle der gerichtlichen Praxis der Zumessung der Gelder wider. Richtlinien für die Bemessung der Schmerzensgelder sind Schmerzensgeldtabellen (z.B. Hacks, Ring & Böhm, 1995), in denen Gerichtsentscheidungen aufgelistet sind. In diesen Tabellen folgt einer Beschreibung der Verletzungen und der Angabe des gewährten Betrages eine kurze Schilderung der besonderen Umstände, die für die Entscheidung maßgebend waren. Geht ein Urteil wie das der Rechtsexperten bei moralisch schlecht vertretbaren Beweggründen des Schädigers in diese Tabellen ein, wird unter der Rubrik "besondere Umstände" vermerkt, die Genugtuungsfunktion sei berücksichtigt worden. Wird dann ein anderer Fall mit identischen Verletzungen des Geschädigten von einem anderen Richter verhandelt, wird er die Tabellen zu Rate ziehen und unter Umständen von diesem Betrag einen Teil abziehen, weil er die Genugtuungsfunktion nicht berücksichtigen möchte. Der Geschädigte bekäme in einem solchen Fall bei identischen Verletzungen weniger Schmerzensgeld.

Dieses Beispiel zeigt, daß die nicht vollzogene Trennung von Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu einer Intransparenz in der Bemessung der Beträge führt, die in einer Ungleichbehandlung identischer Fälle resultieren kann.

7.3 Schlußbetrachtung

In der vorliegenden Arbeit wurde ein theoretisches Modell der Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch juristische Laien entwickelt und einer experimentellen Prüfung unterzogen. Gleichzeitig wurden die Entscheidungen von Rechtsexperten erhoben und mit denen der juristischen Laien verglichen. Die bisherige Forschung zur Entschädigungszumessung ist weitgehend theoriearm. Auf die Gefahr, "wie unproduktiv Forschung werden kann, die sich ohne klaren theoretischen Rahmen ad hoc formulierten oder von der Praxis diktierten Fragestellungen zuwendet", ist jedoch oft hingewiesen worden (Stahlberg & Frey, 1993, S. 328). Die vorliegende Arbeit hat dieses Forschungsdefizit aufgegriffen. Der postulierte Zusammenhang zwischen der Zuschreibung von Verantwortung, Ärger und einer Erhöhung des Schmerzensgeldes hat sich in der empirischen Prüfung bewährt. In bezug auf die vermutete Verbindung von Mitleid und einer Verminderung des Schmerzensgeldes mußten die Annahmen revidiert werden. In einer Weiterentwicklung des Modells sollte dieser Befund berücksichtigt werden.

Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, daß in der Gesellschaft ein Bedarf an juristischer Aufklärung besteht. Besonders Bildungseinrichtungen und Massenmedien sind aufgerufen, dieses Wissensdefizit zu verringern. In den Medien werden häufig spektakuläre Urteile geschildert, selten aber Hintergrundinformationen geliefert (vgl. Nerb, 2000) � und bisweilen gar ein falsches Bild der gerichtlichen Zumessungspraxis vermittelt.

Ein Beispiel ist der bereits in der Einleitung erwähnte Artikel der Badischen Zeitung vom 26. Mai 2000. Rath kritisiert, daß "...die Schönen und Reichen beim Schadenersatz abkassieren". Im weiteren Verlauf des Artikels schlägt der Autor vor, die "hohen Extrazahlungen" sollten an den Staat oder an gemeinnützige Einrichtungen fließen. Diese zunächst einleuchtend erscheinende Forderung suggeriert dem Leser, eine solch einfache und gerechte Regelung hätte schon längst eingeführt werden können. Hier erweckt der Verfasser jedoch einen falschen Eindruck. Jeder Betrag, der an eine andere Person als den Geschädigten ausbezahlt wird, gilt im deutschen Recht als Strafe. Aufgrund der strikten Funktionsteilung von Zivil- und Strafrecht im deutschen Rechtssystem darf in Zivilrechtsprozessen keine Strafe verhängt werden (vgl. Kern, 1991). Da auch Entschädigungsverfahren unter das Zivilrecht fallen, ist es demnach nicht ohne eine Umwälzung bisheriger Rechtsnormen möglich, Schmerzensgelder an den Staat oder gemeinnützige Einrichtungen ausbezahlen zu lassen. Die Medien vermitteln hier ein unzutreffendes Bild des Rechtssystems und beeinflussen die Meinung der Leser durch verfälschte Berichterstattung. Zudem verwendet der Autor die Begriffe Schadensersatz und Schmerzensgeld synonym. Auch solche Fehlinformationen tragen nicht dazu bei, die Rechtskenntnis des Lesers zu verbessern. Dieses Beispiel zeigt, daß nicht einmal die Berichterstatter der Massenmedien mit der juristischen Materie vertraut sind, die sie ihren Lesern zu vermitteln versuchen. Es ergänzt das Bild, das die empirischen Befunde dieser Arbeit liefern.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Arbeit betrifft die Gewichtung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes. Es hat sich gezeigt, daß Rechtsexperten eine Erhöhung des Schmerzensgeldes nicht mit einer vermehrten Gewichtung der Genugtuungsfunktion verbinden. Im vorangehenden Abschnitt wurde ausgeführt, daß diese Praxis der Schmerzensgeldzumessung zu einer Ungleichbehandlung identischer Schädigungen führen und somit in ungerechten Urteilen resultieren kann.

In der juristischen Literatur wird oft gefordert, das Schmerzensgeld in Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion gesondert auszuweisen, um die jeweils in Betracht kommenden Bemessungsfaktoren einer rationalen Erörterung zugänglich zu machen (vgl. Kern, 1991; Stein, 1997). Dennoch weigert sich die Rechtsprechung, dieser Forderung nachzukommen. Die Befunde der vorliegenden Arbeit unterstreichen die Dringlichkeit einer Abkehr von dieser Haltung.

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Anhang: Instruktion

 

Zu Beginn der Untersuchung

Für meine Diplomarbeit im Fach Psychologie untersuche ich die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sie helfen mir sehr, wenn Sie meinen Fragebogen ausfüllen; die Teilnahme ist aber natürlich freiwillig. Sie werden eine kurze Fallgeschichte erhalten, an die sich einige Fragen anschließen. Es handelt sich hier nicht um einen psychologischen Test oder eine Wissenskontrolle. Bitte füllen Sie die Bögen erst dann aus, wenn ich Sie bitte, anzufangen.

Bitte stellen Sie den Inhalt des Falles nicht in Frage; gehen Sie bitte davon aus, daß sich alles so zugetragen hat, wie es in der Fallgeschichte beschrieben wird. Es handelt sich um einen fiktiven Fall aus dem Zivilrecht. Bitte setzen Sie voraus, daß die Entscheidung über eventuelle strafrechtliche Konsequenzen von anderer Seite getroffen wird. Lassen Sie diesbezügliche Überlegungen deshalb bitte außer acht.

Auf den ersten Blick wirken die Fallgeschichten identisch; sie unterscheiden sich aber in wichtigen Details. Bitte gleichen Sie Ihre Ergebnisse also nicht mit Ihrem Nachbarn ab. Bitte beantworten Sie alle Fragen in der angegebenen Reihenfolge. Ihre Angaben werden selbstverständlich anonym behandelt. Wenn Ihnen etwas unklar ist, geben Sie mir bitte ein Handzeichen; ich komme dann zu Ihnen.

Die Untersuchung dauert ungefähr 10 Minuten. Wenn Sie den Bogen ausgefüllt haben, bleiben Sie bitte ruhig sitzen; wenn alle fertig sind, werde ich Sie bitten, Ihre Bögen nach vorne zu bringen. Als Dank wird dann jeder Teilnehmer eine Tafel Schokolade bekommen.

Bitte fangen Sie jetzt an, den Bogen auszufüllen; vergessen Sie bitte nicht, die Angaben zu Ihrer Person auf dem Deckblatt zu machen.

Zum Abschluß der Untersuchung

Bitte bringen Sie mir jetzt Ihren ausgefüllten Bogen; Sie können sich dann eine Tafel Schokolade aussuchen. Auf der Rückseite Ihrer Schokoladentafel klebt ein Zettel mit einer Telefonnummer. Wenn Sie sich über die Untersuchung und die Ergebnisse informieren möchten, rufen Sie mich bitte unter dieser Nummer an.

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